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Meinung: Nur sich selbst im Blick

Die Gesundheitsministerin kann die stille Macht der Standesvertretungen kaum eindämmen

Sie haben kaum etwas zu befürchten: Auch wenn Gesundheitsministerin Ulla Schmidt den Kassenärztlichen Vereinigungen Druck macht, die Gesundheitsreform ordentlich umzusetzen, macht das den Funktionären wenig Angst. Sie wissen, dass ihre baldige Entmachtung genauso wahrscheinlich ist wie die erste Reha-Kur auf dem Mars noch in diesem Jahr.

Mit großer Gelassenheit können sich daher die Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung Koblenz an diesem Mittwoch auf die Diskussion mit der Ministerin einlassen. In Lahnstein – für die Gesundheitspolitik ein „historischer“ Ort, weil hier vor knapp zwölf Jahren die damalige Unions/FDP-Regierung mit der SPD einen großen Gesundheitskompromiss aushandelte – werden die Ärztevertreter vermutlich wieder ein wenig klagen.

Zum Beispiel über die Mehrarbeit, weil sie die Praxisgebühr eintreiben müssen. Lange Zeit haben sie sich dagegen mit Händen und Füßen gewehrt. Vertreter von Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigungen haben die Praxisgebühr nur unter Protest akzeptiert. Vielleicht haben die Mediziner befürchtet, dass sie als Überbringer der schlechten Nachricht von den Patienten bestraft werden – für Beschlüsse, die von der Politik zu verantworten sind. Genau das Gegenteil aber ist eingetreten. Inzwischen richten sich Kritik und Empörung über jede ungeklärte Detailfrage an die Adresse von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Auf der SPD-Politikerin lädt sich die Wut der Versicherten ab, und die Verbände wissen das.

Dabei haben die Ärztefunktionäre lange Zeit selbst gezockt. Nachdem das Gesetz vor vier Monaten mit großer parlamentarischer Mehrheit verabschiedet war, haben sie sich ausführlich mit den Kassen darüber gestritten, wer das Ausfallrisiko trägt, falls der Patient seine zehn Euro nicht dabei hat. Dabei handelten sie nur im Interesse ihrer Mitglieder, nicht der Patienten. Erst im Dezember klärte das Bundesschiedsamt den Streit.

Die Fragen, die für die Versicherten bedeutsam sind, wurden auf die lange Bank geschoben, Ärzte und Krankenhausangestellten vor Ort zu spät informiert. Dass die angesichts der vielen denkbaren Spezialfälle zum Teil überfordert sind, mal die Praxisgebühr zu Unrecht kassieren und mal gar nicht, ist kein Wunder. Die Mediziner vor Ort hatten nicht genügend Zeit, sich auf die Neuregelungen einzustellen. Die Politik hätte rechtzeitig misstrauisch sein sollen.

Den Funktionären drohen keine ernsthaften Konsequenzen. Seit Lahnstein hat sich am Einfluss der Kassenärztlichen Vereinigungen wenig geändert. Der Versuch von Rot-Grün, die Funktionäre ein Stück weit zu entmachten, scheiterte vor vier Monaten an den fehlenden politischen Mehrheiten. Die Ärztevertreter können sich zurücklehnen.

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