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Obama: Allein rein, allein raus

Der Anti-Bush und das Brandenburger Tor: Kurz vor seiner vielleicht wichtigsten Reise überhaupt zeigt sich Barack Obama als jemand, der von seiner eigenen Mission überzeugt ist. Über die menschgewordene Antithese George W. Bushs wird allerdings nur Europa jubeln.

Der Versuch des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama, eine Rede vor dem Brandenburger Tor zu halten, war ebenso naiv wie kühn. Für Obama hätte sich eine solche Rede an diesem Denkmal gelohnt, das einst ein Symbol von Teilung und Konflikt gewesen ist und seit dem Mauerfall für das Gegenteil steht. Nun wird Obama vermutlich nur durch das Tor spazieren, wenn überhaupt, – aber der Konflikt um seine Rede dort ist jedenfalls jetzt schon Sinnbild seines politischen Stils, der so forsch wie vornehm ist.

Die weltweite Wirkung der Bilder von einer solchen offiziellen Rede wären zweifelsohne groß gewesen. Das Ereignis hätte quasi die ikonografische Vorwegnahme der Wahlen am 4. November bedeutet: Da heiraten Pop und Politik, Tradition und Moderne. Obama liefert mehr Metaphern, die man gefahrlos ausdeuten kann, ohne sich auf das heikle Terrain praktischer Politik zu begeben.

Wie und wo hätte sich sein Konkurrent John McCain danach als Beschützer der westlichen Welt in Szene setzen können? Der Republikaner baut schon lange auf Tradition in Europa – etwa bei seinen Besuchen auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Obama, auch wenn er nun zum ersten Mal Deutschland besucht, ist ein Meister der inszenierten Zukunft. Seine Zukunftsbilder erscheinen fast schon als Tatsache. Dabei ist der Mangel an Erfahrung mit Außenpolitik keineswegs ein Nachteil.

Aber in Washington wird der designierte Kandidat Obama immer häufiger als „Rätsel“ beschrieben. Und um dieser Kritik zu begegnen, macht Obama diese Woche wieder einen Vorschlag, der zwischen Naivität und politischem Mut changiert: Obama beschreibt relativ konkret, wie er den Irakkrieg beenden will. Die US-Truppen will er nun definitiv binnen 16 Monaten abziehen. Egal, ob Obama auf dem Gendarmenmarkt, auf dem Potsdamer Platz oder auf der Glienicker Brücke reden wird: Wenn er diesen Plan in Berlin wiederholt, wird er an dieser Stelle euphorischen Beifall bekommen. Ob dieser Beifall an dieser Stelle in Bagdad, Basra oder in Jerusalem genauso frenetisch ausfallen würde, ist eine ganz andere Frage. Zweifel sind angebracht.

Noch am Vorabend seines Irakbesuchs konstatiert er, dass die irakischen Sicherheitskräfte schon 2009 in der Lage sein werden, die Verantwortung zu übernehmen. Er räumt zwar ein, dass die Truppenverstärkung in den letzten eineinhalb Jahren Verbesserungen gebracht hat und dass viele sunnitische Stämme von Al Qaida abgekoppelt worden sind. Dennoch will sich Obama als Präsident auf Afghanistan konzentrieren, die Ressourcen müssen deshalb aus dem Irak abgezogen werden.

Die Vergangenheit spielt in Obamas öffentlichen Darlegungen keine Rolle, der Blick geht stramm nach vorn. Keine Zeile widmet er der desaströsen Entwicklung in Afghanistan nach dem übereilten amerikanischen Rückzug nach dem Sieg gegen die Sowjets. In Washington wird Bushs Konzentration auf den Irak und die damit verbundene Schwächung der US-Militärpräsenz in Afghanistan offen diskutiert – Obama selbst nannte dies einst ein gefährliches Hütchenspiel. Wird das von ihm selber nun weitergespielt?

Zuletzt hatte man den Eindruck, dass sich Obama vom politischen Magier in einen Realpolitiker verwandeln würde. Doch der Mythos Obama, die menschgewordene Antithese George W. Bushs, kehrt zurück. Er ist das personifizierte Versprechen, Fehler ungeschehen zu machen.

Zum Irakkrieg hatte Obama in den letzten Monaten einen Standardsatz parat: Man müsse sich von dort so vorsichtig entfernen, wie man unvorsichtig hineingeraten sei. Das ist nun wohl Makulatur. Sein Plan sieht nun vor, dass Amerika sich als westliche Macht ebenso unilateral vom Acker macht, wie man ihn einst betreten hat. Ob in Washington oder Berlin: Der Mythos Obama lebt vom Gegen-Mythos Bush. Kurz vor der vielleicht wichtigsten Reise seines Lebens zeigt Barack Obama sich auch als jemand, der von seiner eigenen Mission sehr überzeugt ist. Aber vielleicht ist Obama inzwischen auch die Geisel seiner eigenen Erfolgsrhetorik.

Die Autorin ist Amerikanerin, lebt in Berlin und hat in Harvard Geschichte studiert.

Anjana Shrivastava

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