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Die Beteiligung der USA am Libyen-Einsatz hat im eigenen Land für Unmut gesorgt.

© dpa

Obama und die Nato: Doktrin des Einzelfalls

Barack Obama erklärt in seiner Rede zum Einsatz in Libyen seine Prinzipien und hebt sich damit von seinen Vorgängern im Präsidentenamt ab. Doch was folgt daraus für andere Länder?

Das Bemerkenswerteste an der Rede von US-Präsident Barack Obama zu Libyen war: Er benutzte sie, um sich von seinem Vorgänger abzusetzen. Ein Krieg zum Regime Change, wie George W. Bush ihn im Irak führte, sei mit ihm nicht zu machen. Nach acht Jahren, mehr als 4200 Gefallenen und rund einer Billion Dollar Kosten ist Amerika noch immer dort verwickelt. So macht nun der Begriff einer neuen Obama-Doktrin die Runde.

Er hat in der Tat erklärt, warum er den Angriffsbefehl für Libyen gab, und sich zugleich überzeugend gegen die beiden Hauptkritiken verteidigt. Die einen monierten, in Libyen seien keine existenziellen US-Interessen bedroht; also solle Amerika nichts tun. Die anderen sagten, Obama habe zu spät und zu zögerlich interveniert; noch immer weigere er sich, den Sturz von Muammar al Gaddafi zum Kriegsziel zu erklären. Obama setzte eine Strategie der begrenzten Militärintervention dagegen. Er musste handeln, weil ein Massaker an Zivilisten drohte. Es ging um die Verteidigung der Werte. Freilich gebe es keine Automatik, dass die USA immer eingreifen, wenn Massenmord drohe. Interessen, Kosten und Risiken sind abzuwägen. Deshalb solle Amerika nicht alleine handeln. Koalitionen sind gut, weil dann andere die Last mittragen. In Libyen seien das europäische und arabische Partner.

Gaddafi stürzen? Das müssten die Libyer schon selber. Sie bekommen militärische Hilfe aus der Luft. Obama bekräftigte: keine US- Bodentruppen! Nun, da der Erfolg der begrenzten Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung sicher sei, könne Amerika die Führung an die Nato übergeben. Die USA haben genug Aufgaben und Kosten in Afghanistan und im Irak.

Das klingt vernünftig, weil pragmatisch. Obama habe seine Politik hervorragend erklärt, loben die meisten US-Kommentatoren. Zweierlei bleibt jedoch unbefriedigend. Das Gedankengebäude ist, erstens, zu kompliziert für Amerikas Normalbürger. Denen reicht als Begründung: Wir tun das Richtige und sind siegreich. Fast eine Zumutung für die Selbstsicht ist Obamas These, Amerika dürfe die Führung anderen überlassen. Und was ist, zweitens, eine Doktrin wert, die vor allem erklärt, was dieser Militäreinsatz nicht ist, aber schuldig bleibt, wie man sie auf andere Fälle anwendet? Obama vermied das Wort „Krieg“. Er sagte auch nicht, was aus seinen Prinzipien für Bahrain, Syrien, den Jemen folgt.

Gar nichts, so muss man schlussfolgern. Jedes Land ist ein Einzelfall. Im Prinzip muss Amerika die Freiheit fördern und Massaker verhindern. Wenn das aber in Bahrain bedeutet, auf Truppen der saudischen Verbündeten zu schießen, tut man es halt nicht. Im Jemen tobt ein Bürgerkrieg. Syrien hat eine zu starke Armee. Und sollte sich in Pakistan das Volk erheben, um die korrupte, verlogene Führung zu stürzen, die offiziell Amerikas Verbündeter ist, aber heimlich seine Feinde, die Taliban, fördert, wird Obama auch nichts tun. Denn er handelt, Gott sei Dank, mit Augenmaß. Nur ist so viel Vernunft für Freunde der Freiheit manchmal schwer zu ertragen.

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