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Obama

© AFP

Obama und Europa: Schleichende Entfremdung

Barack Obama fehlt die Empathie für Europa, die seine Vorgänger auszeichnete. Prägende Erfahrungen mit Europa hat er nicht. Es ist eine geschäftliche Beziehung, kein Liebesverhältnis. Die EU interessiert nur, soweit sie den USA hilft, Probleme zu lösen.

Mit George W. Bush wäre uns das nicht passiert. Hätte der einen EU-USA-Gipfel ausgeschlagen, man hätte es mit Achselzucken quittiert. Oder erleichtertem Spott. Bei Barack Obama ist das anders. Er ist zwar schon ein Jahr im Amt, der Reiz des Neuen müsste längst verflogen sein. Aber viele in Europa würden das erhebende Gefühl der Wiederannäherung nach dem Streit mit Bush gerne noch ein wenig genießend in die Länge ziehen. Das gilt speziell für Deutschland, wo Obama mehr Sympathien zufliegen als anderswo auf der Welt. Stattdessen nun Liebesentzug?

Die Antwort ist banaler. In die Beziehungen ist wieder Alltag eingekehrt. Die Afghanistankonferenz in London dokumentierte verlässliche Routine, riss aber niemanden vom Hocker. Bei der Sicherheitskonferenz in München an diesem Wochenende wird es ähnlich gehen: Man kennt und schätzt sich, doch das erwartungsvolle Knistern wie vor einem Jahr, als München die Bühne bot für die erste Begegnung mit der neu gewählten US-Regierung und Obama seinen Vize Joe Biden sandte, ist Vergangenheit.

Nicht erst Freitag ab eins macht jeder seins, sondern die ganze Woche über. Die USA sind vollauf mit sich beschäftigt. Beim Blick auf die Arbeitslosenzahl, die Reformblockaden im Kongress und die Positionierungskämpfe vor der Kongresswahl ist das kein Wunder. Außenpolitik interessiert dann, wenn sie den Bürgern Grund für Nationalstolz liefert wie im Fall der Haiti-Hilfe. Oder wenn die Sicherheit bedroht ist wie beim Flugzeuganschlag mit Spuren in den Jemen oder amerikanisches Blut fließt wie gerade in Pakistan. Deutschland tickt ähnlich. Auch hier beherrschen die Aussichten für die Volkswirtschaft und das eigene Portemonnaie, höhere Kassenbeiträge oder die Sauerland-Terroristen die Debatte. Der Glanz eines Obama-Besuchs bei der EU wäre eine willkommene Abwechslung gewesen. Und keine Enttäuschung wiegt schwerer als unerwiderte Liebe.

Doch das verbreitete Kontrastbild vom europäisch anmutenden Obama nach dem kulturell fremden amerikanischen Cowboy Bush ist eine Projektion. Dessen Verhältnis zu Europa war nie so schlecht, wie es geredet wurde. Er war 2005 der erste US-Präsident, der die EU – und nicht nur die Nato – in Brüssel beehrte. Das Elternhaus und die Zeitläufte hatten ihm eingeimpft: Europa ist Amerikas verlässlichster Partner. Mit keinem anderen Kontinent gibt es ein so breit gefächertes und tief gehendes Bündnis: Wirtschaft, Militärallianz, Kultur, Wertegemeinschaft. Die tägliche Zusammenarbeit seiner Regierung mit Europa war weit besser als die öffentliche Stimmung.

Unter Obama ist es umgekehrt. Die fachliche Kooperation geht wie gewohnt weiter – im Kontrast zur Wahrnehmung der Bürger, man sei sich nun wieder näher. An den nationalen Interessen und kulturellen Unterschieden, von Militäreinsätzen und Handel zu Sozialstaat und Bankenkontrolle, hat sich nichts geändert. Obama fehlt die Empathie für Europa, die seine Vorgänger auszeichnete. Er ist auf Hawaii, im Pazifik, geboren, kennt Afrika und Indonesien. Prägende Erfahrungen mit Europa hat er nicht. Für seine Generation sind Weltkrieg, Aufbauhilfe und der Ost-West-Konflikt, der Europa und Amerika zusammenschweißte, Geschichte. Es ist eine geschäftliche Beziehung, kein Liebesverhältnis. Die EU interessiert, soweit sie den USA hilft, Probleme zu lösen. Bisher bleibt sie auf den meisten Feldern hinter Obamas Erwartungen zurück. Es wird genug gegipfelt, einer weniger ist kein großer Verlust.

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