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Obamas Rede in Kairo: Voller Respekt

Zwar lassen sich die komplexen Probleme im Verhältnis zwischen den USA und der muslimischen Welt nicht von heute auf morgen bereinigen. Aber der Auftritt von Barack Obama in Kairo hat einen wichtigen Impuls gesetzt. Abzuwarten bleibt, wie weit dieser trägt.

Es war ein historischer Auftritt. Gut 50 Minuten dauerte die Grundsatzrede von Barack Hussein Obama im Kuppelsaal der Kairoer Universität, mit der er den anderthalb Milliarden Muslimen des Globus einen Neubeginn im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten vorschlug. Viele amerikanische Präsidenten haben große Reden gehalten. Keiner aber sah sich je veranlasst, alle Angehörigen einer Weltreligion auf so fundamentale Weise anzusprechen. Denn keiner hat je bei seinem Amtsantritt ein so zerrüttetes Verhältnis zum Islam und zur arabischen Welt vorgefunden – geprägt von Entfremdung, gegenseitigem Misstrauen und teilweise auch offenem Hass.

Obamas Vorgänger, der wiedergeborene Christ George W. Bush, hat im Nahen und Mittleren Osten tiefe Wunden hinterlassen - durch den Irakfeldzug, die einseitige Unterstützung Israels im Nahostkonflikt und den „Krieg gegen den Terror“ mit Guantanamo, Abu Ghraib und Waterboarding. Ansehen und Einfluss Amerikas sind auf dem Nullpunkt, westliche Ideale wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte werden verächtlich kommentiert. Militante Islamisten sind auf dem Vormarsch. Und der Iran ist in der Ära Bush zur einflussreichsten Macht zwischen Maghreb und Arabischem Golf aufgestiegen. Den Grundton für Kairo setzte Obama, dessen Vater Muslim ist, bereits in seiner ersten Woche im Weißen Haus. Die USA hätten der Region zu oft ihre Politik diktiert und müssten künftig mehr zuhören, sagte er einem arabischen Sender. In einer Videobotschaft schlug er dem iranischen Volk und der iranischen Führung einen Neubeginn der Beziehungen in gegenseitigem Respekt vor. Die Vereinigten Staaten seien nicht im Krieg mit dem Islam und würden es niemals sein, erklärte er in einer Rede vor dem türkischen Parlament. Das kam an, klang nach neuem gutem Willen, aber auch ein wenig nach Condoleezza Rice. Hatte sie nicht 2005 ebenfalls in Kairo in einem raren Moment des Selbstzweifels bekundet, die USA hätten im Nahen Osten sechzig Jahre lang Stabilität auf Kosten der Demokratie gefördert – und beides nicht erreicht?

Die Hand wurde ausgestreckt

Folgenlose Selbstkritik oder eine weitere Runde freundlicher Respektsbekundungen – damit konnte es Obama darum in seiner Kairoer Rede nicht bewenden lassen. Denn die Menschen warten auf Taten – auf einen substantiellen Kurswechsel in der amerikanischen Nahostpolitik. Dazu bot ihnen der US-Präsident eine erste konkrete Skizze für die nächsten vier Jahre. Die westliche Führungsmacht will künftig pragmatischer und partnerschaftlicher agieren: Die als neokoloniale Provokation empfundene Präsenz amerikanischer Truppen im Irak soll möglichst rasch beendet werden, ohne ein unregierbares Land zurückzulassen. Im israelisch-palästinensischen Konflikt will man beide Seiten nicht länger mit zweierlei Maß messen. Auf den Iran möchte Washington zugehen und die Dämonisierung der Islamischen Republik ad acta legen.

Doch damit nicht genug: Auch von den verbündeten arabischen Regimes fordert Obama mehr Öffnung und Liberalisierung, mit unbeirrtem Nachdruck und doch ohne den herrischen Ton seines Vorgängers. Denn der US-Präsident muss aufpassen, nicht zu stark mit den arabischen Autokraten identifiziert zu werden und über die Köpfe der Völker hinweg zu reden. Weder der saudische König Abdullah, noch der ägyptische Pharao des 21. Jahrhunderts, Hosni Mubarak, sind Männer, mit denen sich eine Zukunft bauen lässt. Entsprechend sehen viele Bürger muslimischer Staaten die USA nicht als Bannerträger von Demokratie und Freiheit, sondern als Schutzmacht ihrer unpopulären Herrschercliquen.

Obama hat in Kairo eine nuancierte und kräftige Rede gehalten. Er hat in überzeugender Weise die Hand ausgestreckt. Die Erwartungen waren hoch, nicht zuletzt wegen seiner persönlichen Abstammung, seiner Biographie und seiner politischen Versprechen. Zwar lassen sich die komplexen Probleme im Verhältnis zwischen den USA und der muslimischen Welt nicht von heute auf morgen bereinigen. Aber der Auftritt in Kairo hat einen wichtigen Impuls gesetzt. Wie weit dieser trägt angesichts der harten Realität amerikanischer Interessenpolitik, des zu erwartenden israelischen Drucks, der unentwirrbaren palästinensischen Spaltung und der dschihadistischen Unerbittlichkeit, das kann heute niemand sagen.

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