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Meinung: Oberster Rechter

Von Christoph von Marschall

George W. Bush ist blockiert zwischen der Rechten und der liberalen Mitte. Das illustrieren seine Nominierungen für das Oberste Gericht. Harriet Miers war gewiss fachlich kein Star, und ihr fehlte Richtererfahrung. Gescheitert aber ist sie am Unbehagen der Erzkonservativen. Sie erwarten, dass Bush die Parlamentsmehrheiten der Republikaner nutzt, um die versprochene konservativmoralische Wende bis weit in die Zukunft zu sichern: durch die Ernennung rechter Richter. Auf diesen Teil seiner Basis ist Bush nun zugegangen, nachdem er mit dem Kompromisssignal an die Mitte, die Miers Nominierung ja auch war, gescheitert ist.

Was ihm nur neuen Ärger einbringt: statt mit der Rechten nun eben mit den Demokraten. Für sie ist Samuel Alito eine Kampfansage. Politisch ist das kein Nachteil für den Präsidenten. Nichts schließt die Reihen verlässlicher als die offene Konfrontation mit der Opposition. Alito ist die richtige Figur dafür. In Anspielung auf Antonin Scalia, den konservativsten Supreme-Court-Richter, trägt er den Spitznamen „Scalito“. Und da er erst 55 Jahre alt ist, kann er das Oberste Gericht lange prägen. Er soll die liberale Sandra O’Connor ersetzen, das erbost die Demokraten zusätzlich. Sie steuerte bei knappen Entscheidungen oft die entscheidende Stimme bei. Allerdings zeigt ihr Beispiel auch, wie begrenzt sich künftige Richter „ausrechnen“ lassen. Ronald Reagan hatte sie nominiert. Es ist unwahrscheinlich, dass Alito die Mehrheiten in Grundsatzfragen kippt. Die mutmaßliche Haltung zur Abtreibung gilt in den USA als hochemotionaler „Lackmustest“. Doch selbst wenn Bushs neue Richter, John Roberts und Samuel Alito, gegen das heutige Recht votieren sollten – was Spekulation ist –, bliebe es bei einer 5-zu-4-Mehrheit für dessen Bestand.

Mit seinem raschen Vorschlag will Bush auch beweisen, dass er trotz der „Leakgate“-Affäre aktionsfähig ist. Mit Alito kann er die Schlagzeilen aber nur für ein, zwei Tage gewinnen. Für eine verlässliche Stabilisierung ist mehr nötig: ein Neuanfang mit neuem Personal im Weißen Haus und einem klaren Programm für die verbleibenden drei Jahre seiner Präsidentschaft.

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