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Meinung: Objektiv zu ausgewogen

Von Moritz Schuller

Am Tag zuvor hatte der UNBotschafter des Sudan den Bericht noch gelobt. Er sei „ausgewogen“, sagte Elfatih Mohammed Erwa, „man muss ihn nur objektiv lesen“. Am Donnerstag fühlte sich der Sudan plötzlich ungerecht behandelt, den USA war der Bericht wiederum viel zu weich. Willkommen bei den Vereinten Nationen. Liest man den Bericht einmal ganz objektiv, dann stellt er fest, dass die Regierung in Khartum die Reitermilizen in der Region Darfur nicht entwaffnet hat. Das aber hatte der UN-Sicherheitsrat vor wenigen Wochen in der Resolution 1556 gefordert. Objektiv könnte man also dem Sudan sagen: Wir hatten euch eine letzte Chance gegeben, ihr habt sie nicht genutzt. Jetzt belegen wir das Land mit Sanktionen.

Von Sanktionen, darüber besteht wenigstens Einigkeit, ist im Bericht nicht die Rede; quasi als Entgegenkommen an die Regierung in Khartum konstatiert er sogar Fortschritte bei der Bewältigung der humanitären Krise. Dass, wie die Amerikaner behaupten, die Regierung nicht einmal ihre eigenen Angriffe auf Zivilisten eingestellt hat, erwähnt der Bericht nicht. Anfang der Woche will der Sicherheitsrat neu beschließen, bis dahin wird über den Bericht gestritten, von Sanktionen wird auch dann keiner reden. Das Leiden in den Flüchtlingslagern darf weitergehen, an eine Rückkehr der Flüchtlinge ist derzeit nicht zu denken. Sollte es irgendwann doch zu einem Ende der Krise kommen, dann sicher nicht, weil die Vereinten Nationen sich in den seit 19 Monaten schwelenden Konflikt im Sudan schnell, mutig und unerbittlich eingemischt hätten.

Der UN-Bericht zum Sudan stellt den Versuch dar, objektive Fakten mit politischen Angeboten zu vermengen: Den Sudan für seine Unterstützung der mordenden Milizen zu tadeln und ihn gleichzeitig für seine Zusammenarbeit zu loben. Dieser Versuch musste scheitern, und er ist gescheitert. Nicht einmal im Sudan selbst ist man sich offensichtlich sicher, ob man diesen Bericht „objektiv gelesen“ ausgewogen oder ungerecht finden soll. Die Chance, den Sudan auf der Bühne der Vereinten Nationen als Täter zu entlarven, und dadurch Einigkeit über die angemessenen politischen Konsequenzen zu erzielen, wurde so verpasst. Willkommen bei den Vereinten Nationen.

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