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Meinung: Ohne Anwälte

Israel verliert seine Partner – das destabilisiert den Nahen Osten

Der Botschafter in der Türkei wird des Landes verwiesen, sein Kollege in Ägypten muss vor einem gewalttätigen Mob die Flucht ergreifen, und die restlichen Botschafter Israels auf der Welt versuchen mühsam, eine Anerkennung Palästinas durch die UN zu verhindern: Israel ist, auch als Folge der Arabellion, politisch dramatisch in die Defensive geraten. Während draußen die vertrauten Regime stürzen und drinnen fast 500 000 Menschen gegen die Sozialpolitik demonstrieren, wirkt die israelische Regierung wie erstarrt. Dabei ist eine weitere Politik des Abwartens und Aussitzens angesichts der Veränderungen in der Region – und der Pläne der Palästinenser, am 20. September ihre Aufnahme in die UN zu beantragen – kaum mehr möglich.

Denn die Aufstände haben nicht nur das arabische Selbstverständnis verändert und große Erwartungen auf politische Veränderung geweckt; die Begeisterung des Westens für die Arabellion prägt längst auch dessen Wahrnehmung des Nahostkonflikts: Die Geduld des Westens mit Israel und seiner Regierung ist in den vergangenen Monaten geringer geworden, die Bereitschaft, sich dem symbolischen Schritt einer Anerkennung Palästinas anzuschließen, ist eher gestiegen. Der historische Moment gehört den Arabern.

Wie sehr sich dadurch die Machtbalance in der Region geändert hat, zeigt das Verhalten der langjährigen Partner Israels. Die Türkei spielt sich plötzlich als militärische Schutzmacht der Hamas auf: Die Ankündigung von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, künftig Lieferungen in den von Israel abgesperrten Gazastreifen durch türkische Kriegsschiffe begleiten zu lassen, bedeutet eine verantwortungslose Eskalation des Streits zwischen beiden Ländern.

Und in Ägypten folgt auf die offenen politischen Spannungen mit Israel dieser aggressive Zwischenfall. Die neue Regierung in Ägypten konnte oder wollte die Botschaft nicht schützen – die Folge ist die weitere Verschlechterung einer einst soliden strategischen Partnerschaft. Beide Länder instrumentalisieren inzwischen ihre Beziehungen zu Israel für andere politische Ziele. „Anwälte Israels“ nennt Erdogan die Kritiker seiner neuen Außenpolitik verächtlich – das war in der Vergangenheit in der Türkei kein Schimpfwort.

Die Lage im Nahen Osten, lange deprimierend statisch, ist in Bewegung geraten; sie kann sich, wie die jüngsten Ereignisse zeigen, auch schnell in die falsche Richtung bewegen. Dass die G-8-Länder die wirtschaftliche Entwicklung der arabischen Reformländer mit 38 Milliarden Dollar unterstützen wollen, ist richtig. Ebenso wichtig ist es aber auch, die politische Stabilität der Region zu sichern. Dazu gehört der Druck auf eine passive israelische Regierung, sich den politischen Prozessen nicht weiter zu entziehen. Dazu gehört aber auch, gegenüber Ägypten und dem Nato-Partner Türkei Stellung zu beziehen, dass die keine gefährlichen Spiele im Nahen Osten betreiben. Denn die Lage dort ist, wieder einmal, äußerst fragil.

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