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Meinung: Ohne Geschrei

Die Grünen melden sich zurück

Für die grüne Parteigeschichte war die Ablösung der rot-grünen Bundesregierung ein doppelter und dreifacher Einschnitt. Machtpolitisch endete im letzten Jahr eine Ära der Regierungsbeteiligungen in Bund und Ländern, inhaltlich das schon lange vorher schemenhaft gewordene „rot- grüne Projekt“. Personell musste der Rückzug der populärsten Führungsfigur bewältigt werden. Das Ergebnis: Es geht auch ohne Joschka Fischer; die Grünen haben sich mit dem Berliner Wahlergebnis zurückgemeldet als Kraft, mit der gerechnet werden muss.

Viele Wähler in Berlin haben gezählt, gewogen und für zu leicht befunden, was CDU, SPD, FDP oder PDS ihnen zu bieten hatten. Und am Ende dieser Abwägung grün gewählt, weit jenseits romantischer Aufladungen, von alternativen Träumen, ohne ein charismatisches Zugpferd an der Spitze. Mit anderen Worten: Die grüne Wählerschaft ist erwachsen geworden und bleibt, wie die Wahlanalysen zeigen, dadurch jung. Die Partei hat eine solide Basis in den erfolgreichen (westlichen) Schichten dieser Stadt. Sie wirkt bürgerlicher als die CDU. Wer sie nicht mag, wird dafür andere Argumente ins Feld führen als die alten Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit.

Dabei war der grüne Start in der Ära nach der Regierungsmacht ganz und gar nicht bestechend. Gute Umfragewerte, unklare Botschaft. Doch das Erfolgsgeheimnis liegt gerade darin, dass die Partei sich für den schwierigeren Weg entschieden hat, den der konstruktiven Opposition, die den populistischen Versuchungen widerstehen will. In Abwandlung eines beliebten Mottos aus den frühen Jahren hat sich für die Grünen am Berliner Wahlsonntag bewahrheitet: Nur wer sich treu bleibt, kann sich ändern – und aus der Opposition unversehens wieder in die Nähe von Senatorenposten rücken.

Denn die Grünen bleiben als Opposition bei den Lektionen, die sie auf dem Weg zur Regierungspartei mühsam lernen mussten. Am deutlichsten erkennbar wird das in dieser Woche an der Zustimmung zum Libanon-Einsatz – und damit am Kontrast zu einer FDP, die in der Opposition vergisst, was ihre Außenminister einmal verkörpert haben.

Aber auch auf anderen Gebieten ziehen die Grünen das Bohren dicker Bretter dem Marktgeschrei einer Opposition vor, die es schon immer besser wusste. Allerdings haben die Grünen Reflexion und Selbstüberprüfung auch nötig. Ob Zuwanderungsrealitäten oder neue soziale Fragen – für den alten Milieustaub sind die Grünen nicht gewählt worden.

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