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Opel und General Motors: Aus dem Blickwinkel

Der Fall Opel lehrt auch: Durch die nationale Brille gesehen verzerrt sich das Bild.

Alle reden von der Globalisierung. Wenn aber internationale Handels- oder Wirtschaftskonflikte ausbrechen, wirkt die Welt plötzlich wieder national geteilt. In fast allen Ländern blicken dann fast alle Medien durch die nationale Brille, als könne man heute nicht überall die Wahrnehmung der Gegenseite verfolgen.

Jüngstes Beispiel ist die deutsche Empörung über die Entscheidung von GM, Opel nicht an Magna zu verkaufen. Die Medien in Amerika und Deutschland zeichneten gegensätzliche Bilder: Verrat, Affront, Kehrtwende, hieß es in der Bundesrepublik. Eine willkommene Hilfe für Angela Merkel im Streit mit Brüssel über Staatshilfen, spekulierten US-Journalisten.

Es soll hier nicht um die Frage gehen, wer recht hat oder bei wem die verbleibenden deutschen Opel-Jobs sicherer sind. Sondern um Beobachtungen zu den nationalen Denkweisen. Sie korrespondieren mit der politischen Kultur und Wirtschaftsideologie. Auffallend war: Die Berichte, die allein in Deutschland verfasst waren, befanden es fast durchweg für unglaubwürdig, dass US-Präsident Barack Obama nicht informiert gewesen sei, als er Angela Merkel am Dienstagmorgen empfing. Schließlich gehöre GM mehrheitlich dem amerikanischen Staat. USA-Korrespondenten deutscher Medien indes schilderten genau das überwiegend als plausibel. Sie haben erlebt, wie umstritten der Einstieg des Staats bei GM war – und dass er nur unter der Bedingung akzeptiert wurde, die Regierung dürfe sich nicht in das tägliche Management des Autokonzerns einmischen. Außerdem hatte Obama an jenem Dienstag symbolisch wichtige Regionalwahlen zu bestehen.

In Deutschland gilt die Intervention der Regierung in das Wirtschaftsgeschehen als Fürsorge oder jedenfalls notwendige Kontrolle der bösen Marktkräfte, in den USA dagegen als Sünde.

Unbestreitbar war der Ablauf politisch ungeschickt. Erst gab Amerika der Kanzlerin die Ehre der Rede im Kongress, dann zog es ihr den roten Teppich beim Abflug unter den Füßen weg. Hätte man nicht erwarten müssen, dass eine Profi-Regierung den Präsidenten vorab darauf hinweist, wie wichtig die Sache für Merkel ist?

Gegenbeispiel: Direkt nach Obamas Wahl wickelte die Deutsche Post, ein Unternehmen mit Staatsbeteiligung, ihre US-Tochter DHL ab. 10 000 Jobs in Ohio fielen weg. Wie ungeschickt, Obama seinen Triumph so zu vermiesen! Hätten die das nicht noch unter Bush machen oder eben warten müssen, bis der Obama-Jubel verhallt ist?

Wahrscheinlicher ist, dass Aufsichtsräte solcher Konzerne sich bei Entscheidungen, die das Ausland treffen, kaum um die Terminkalender der dortigen Führung kümmern, weder Detroit um Merkels noch die Deutsche Post um den des US-Präsidenten.

Jetzt fordert Jürgen Rüttgers, GM müsse Opel mehr Eigenständigkeit geben. Umgekehrt ist kaum vorstellbar, dass ein US-Politiker von deutschen Konzernen mehr Freiheit für deren US-Töchter verlangt. Trotz Globalisierung bleibt Amerikas Denkweise amerikanisch. Und die deutsche deutsch.

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