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Opel: Vom Blitz getroffen

Opel führt die Politik vor – der Konzern will Zeit bis zur Bundestagswahl gewinnen. Und die Chancen für die Opel-Führung, mit ihrer Hinhaltetaktik zu reüssieren, stehen nicht schlecht.

Sind die Manager von Opel zu doof? Können sie nicht nur keine Autos bauen, die die Leute wollen – scheitern sie nun auch noch daran, der Politik einen Plan vorzulegen, mit dem ihr Unternehmen gerettet werden kann? Haben sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden, nämlich, dass sie nur Geld vom Staat erwarten dürfen, wenn sie die Zukunftsfähigkeit Opels unter Beweis stellen?

Das Gegenteil ist der Fall. Die Republik erlebt gerade, wie ein Unternehmen die Politik mit einer ausgeklügelten Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit regelrecht vorführt, um an möglichst viel Steuergeld zu kommen. Da lancieren das Unternehmen und die IG Metall Horrormeldungen über Werksschließungen oder 400 000 gefährdete Jobs für den Fall, dass die Marke mit dem Blitz vom Markt verschwindet. Da laufen im Fernsehen teure Werbespots über 110 angeblich ruhmreiche Jahre Firmengeschichte – von einem Unternehmen, das angeblich seine Rechnungen kaum noch bezahlen kann. Und da legen dessen Manager vergangene Woche der Bundesregierung ein Rettungskonzept vor, das offenbar mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet.

Das ist merkwürdig, steckt doch das Unternehmen bereits seit zehn Jahren in der Krise, und spätestens seit November ist von einer nahenden Insolvenz die Rede. Dass der Großkonzern Opel/General Motors angesichts der Dramatik nicht längst alle Aspekte einer Rettung geklärt hat – wer soll das glauben?

Tatsächlich dürfte das Kalkül der Manager sein, die Debatte über Staatshilfen für Opel noch eine Weile am Laufen zu halten. Im Idealfall bis zum Beginn der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs. Noch streitet vor allem die Union erbittert darüber, ob der Staat Opel helfen darf. Doch welcher Politiker wollte den 26 000 Arbeitern und ihren Familien sagen, dass die Marktwirtschaft Schaden nehmen könnte, wenn Subventionen flössen – wenige Wochen vor einem Urnengang? Einer Wahl zumal, bei der ein paar zehntausend Stimmen durchaus über die Macht und das Kanzleramt entscheiden können.

Die Chancen für die Opel-Führung, mit ihrer Hinhaltetaktik zu reüssieren, stehen nicht schlecht. Schon erbost sich die Regierung über die Unverfrorenheit der Geschäftsleute – und merkt nicht, dass sie längst zur Getriebenen geworden ist. Und zum Opfer ihrer eigenen Prinzipienlosigkeit. Hätte sie die Begehrlichkeiten Opels bereits im November sofort und unmissverständlich abgewehrt, müsste sie sich nun nicht unter Schmerzen zu Hilfszahlungen drängen lassen.

Der Hersteller hat es damit auch geschafft, die Kernfragen in den Hintergrund zu drängen, die mit einem Staatsengagement bei Opel verbunden sind: Warum wäre es schlimm, wenn die Überkapazitäten der Branche abgebaut würden? Warum findet sich kein Investor, wenn der Konzern doch so tolle Autos baut? Und wer versichert dem Steuerzahler, dass er nicht ein zweites oder drittes Mal zur Kasse gebeten wird, wenn die Autokrise anhält – was eher wahrscheinlich ist als ein rascher Aufschwung. Fragen nach der begrenzten Macht des Staates sind wenig populär in einer Zeit, in der der Markt versagt. Doch die Erfahrung lehrt, dass sich die Politik noch lange mit solchen Fragen wird beschäftigen müssen, wenn sie nun auf Opel hereinfällt.

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