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Ostukraine: Stärke – für alle Fälle

Russlands Präsident Putin nutzt die Schwächen seiner Gegner - im Inland wie im Ausland. Darauf muss der Westen reagieren, vor allem die Nato, denn sie funktioniert - als Wertegemeinschaft und Verteidigungsbündnis.

Wladimir Putin ist ein lupenreiner Demokrat … Wir erinnern uns, Gerhard „Gib Gas“ Schröder sagte das. Ja, wenn man die Lupe nimmt und in Russland die Demokratie sucht, findet man sie. Kremlchef Putin findet man nicht. Nicht mehr. Aber darum geht es auch: die Partikel des Demokratischen, die es im euroasiatischen Riesenreich gibt, nicht auch noch zertrümmern zu lassen. Sondern sie zusammenzuhalten und zu stärken, auf dass aus ihnen Widerstand gegen die Politik erwächst, die man postsowjetisch nennen kann, in der Grundanlage postfaschistisch, in jedem Fall autoritär und restaurativ.

Nur ein Teil ist Psychologie

Putin auf das Kleine-Mann-Syndrom zu reduzieren, war immer gewagt. Sicher, ein Teil wird auch Psychologie bei ihm sein, die Geschichte von einem, der immer mehr gelten und von den anderen, Großen, ernst genommen werden will. Dazu kommen allerdings eine Schläue und eine Kälte, mit denen so nur wenige gerechnet haben; so nutzt er jede Schwäche, gleich wo sie sich ihm bietet, im Inland zur Machtsicherung, im Ausland zur Machteroberung. Im Inland schob Putin Medwedew einfach zur Seite, behandelte ihn wie eine Marionette – mit dem Ausland versucht er dasselbe. Und das Ausland hat ja auch lange mitgemacht.

Der Westen ist gehemmt

Weil, frei nach Wolf Biermann, nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil ja auch etliches besser geworden war. Weil man an die Wende zum Guten glauben wollte. Weil, weil, weil. Jetzt ist aber Schluss. Der Westen ist nicht nur die zivilisatorische Großbaustelle EU, die genau in dem Moment ihres institutionellen Umbruchs getroffen worden ist; da sind die Kommissare noch nicht ausgehandelt, die Außenbeauftragte stand länger nicht fest, und das, zusammengenommen, hemmt natürlich Handlungsfähigkeit und Zusammenhalt. Der Westen, das sind auch nicht nur die UN, dieses partizipative Endlosprojekt, die schon auf der Suche nach dem nächsten Generalsekretär sind, was viele verführt, sich bloß nicht in gefährliche politische Gefilde vorzuwagen. Der Westen ist auch: die Nato. Eine Wertegemeinschaft. Ein Verteidigungsbündnis. Das funktioniert. Und es bekommt in wenigen Tagen, am 4. und 5. September, in Jens Stoltenberg auch noch einen versierten, vorbildlich demokratischen Generalsekretär.

Ein neuer Doppelbeschluss muss her

Diese Nato ist jetzt – wieder – gefordert. Aus ihrer Mitte muss eine Koalition der Willigen entstehen, die bereit ist, einen neuen Doppelbeschluss stark zu machen. Doppelbeschluss deshalb, weil einerseits das alles angeboten werden sollte, was Russland unter Putin, Putinland, an Zusammenarbeit attraktiv und hilfreich erscheint. Wenn es das Festhalten am Nato-Russland-Rat ist – bitte sehr. Immerhin ist es ein Gesprächsforum. Andererseits darf kein Zweifel daran bestehen, dass die Nato westliche Werte schützen wird und denen Beistand bietet, die sich diesen Werten verpflichten. Was bedeutet: eine neue Eingreiftruppe in Osteuropa zu beschließen, 10 000 Soldaten, zusätzlich. Für den Fall der Fälle und jetzt schon einmal als Signal, dass Putin faschistoide Expansionsgelüste nach Art der Krim teuer zu stehen kommen könnten. Das Muster Krim wiederholt sich doch gerade im Hinblick auf die Ostukraine, auf „Neurussland“. Die Briten, Stoltenbergs Norweger, die Niederländer, die baltischen Staaten, die Dänen, sie alle sind schon bereit, eventuell auch noch die Kanadier. Die Deutschen nicht? Besser doch. Denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Sagte ein Kremlchef. Wir werden daran erinnert, 25 Jahre nach dem Mauerfall.

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