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Ehemalige Talibankämpfer im Januar 2012 nach einer Zeremonie, während der sie dem Aufstand abschworen und der afghanischen Armee beitraten. In der Grenzregion zu Pakistan erstarken die Aufständischen allerdings eher.

© AFP

Pakistan: Zulauf für die Taliban

Ein Nato-Bericht sagt quasi den Aufständischen in Afghanistan den Sieg voraus - und stellt fest, dass Pakistan sie unterstützt. Ein Rückschlag für alle, die auf Verhandlungen mit den Taliban setzen.

Die Analyse ist pessimistisch – und nicht neu: Der pakistanische Geheimdienst ISI unterstützt die Taliban in Afghanistan, und diese haben gute Chancen, nach dem Abzug der internationalen Truppen 2014 wieder die Macht in Kabul zu übernehmen. So oder ähnlich haben das Kenner der Region in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt. Doch jetzt kommt ein geheimer Nato-Bericht zu diesen Schlüssen, und das ist aus mehreren Gründen erstaunlich – und fatal.

Der Bericht, der offenkundig aus Nato-Kreisen der BBC und der englischen „Times“ zugespielt wurde, beruht auf etwa 27 000 Interviews, die mit rund 4000 gefangen genommenen Taliban, Al-Qaida- und anderen ausländischen Kämpfern sowie afghanischen Zivilisten geführt worden sind. Darin heißt es, im vergangenen Jahr sei der Zulauf für die Taliban in Afghanistan und das Interesse für deren Sache, sogar aus Regierungskreisen, so groß gewesen wie nie zuvor. Der ISI sei absolut im Bilde über die Aktivitäten des Haqqani-Netzwerks, das für viele schwere Anschläge in Afghanistan verantwortlich ist; ein hochrangiger Al-Qaida-Kämpfer wird mit den Worten zitiert: „Pakistan weiß alles. (...) Die Taliban sind Islamabad.“

Die Ergebnisse sind zutiefst demoralisierend für alle Afghanen, internationalen Soldaten und zivilen Helfer, die ihr Leben für den Friedensprozess riskieren. Wenn die Nato selbst so starke Zweifel an einem erfolgreichen Ende ihres Einsatzes hat, warum dann noch ein solches Risiko eingehen? Zugleich ist das „Leaken“ des Berichts ein Rückschlag für alle, die auf Verhandlungen mit den Taliban setzen. Meldungen über geplante Gespräche haben diese gerade erst zurückgewiesen. Sagt nun die Isaf den Aufständischen quasi den Sieg vorher, wird das deren Verhandlungsbereitschaft kaum steigern.

Besonders gravierend sind jedoch die Vorwürfe gegenüber Pakistan, die das ohnehin schwer belastete Verhältnis zu den USA weiter beschädigen dürften. Zwar hat Außenministerin Hina Rabbani Khar sofort erklärt, Pakistan habe keine „verdeckte Agenda“ in Afghanistan. Doch pakistanische Militärs, die im Grenzgebiet im Einsatz waren, sagen selbst, dass die Armee die Haqqanis unterstützt.

Die Frage ist nun, ob und wie das militärische Establishment des Landes überhaupt davon abgehalten werden kann, sich weiter über die Taliban Einfluss in Afghanistan sichern zu wollen. Die Zeichen dafür stehen denkbar schlecht.

Innenpolitisch tobt in Pakistan ein schwerer Machtkampf zwischen Militär, Zivilregierung und Justiz, dessen Ende und Ausgang nicht abzusehen sind. Außenpolitisch wiederum sitzt das Misstrauen gegenüber den Amerikanern und deren Verbündeten tief und wächst sogar noch; seit längerem blickt Islamabad deshalb lieber in Richtung China und hofft von dort auf Unterstützung.

Vielleicht könnte es etwas helfen, Islamabads Befürchtungen ernster zu nehmen. Bislang hat man dort offenbar nicht das Gefühl, dass eine hundertprozentige Kooperation mit dem Westen auch im eigenen Interesse sinnvoll wäre.

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