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In der Nähe des Qalandia Checkpoint zwischen Ramallah und Jerusalem trennt diese Mauer Israel vom Westjordanland.

© dapd

Palästinenser-Staat: "Wir haben alles erfüllt, was die internationale Gemeinschaft verlangt"

Das Osloer Abkommen sah die Gründung der Palästinensischen Behörde als Übergangsphase vor, die binnen fünf Jahren zu einem Staat führen sollte. Heute, nach mehr als 20 Jahren, muss sich die Behörde zu einem Staat entwickeln oder sie hat ihre Existenzberechtigung für immer verloren.

In diesem Jahr ist es 21 Jahre her, dass der Friedensprozess mit der Madrider Konferenz unter dem Grundgedanken „Land für Frieden“ begann. Ergebnis dieser Konferenz sollte die Zwei-Staaten-Lösung sein. Neben Israel sollte in den Grenzen von 1967 ein eigener Staat Palästina entstehen. Heute besteht weiterhin internationaler Konsens über das Ziel des Friedensprozesses, jedoch existiert der Staat Palästina noch immer nicht.

Seit 1991 haben wir mit Israel verhandelt – mal weniger, mal intensiver. Israel nutzte die vergangenen zwei Jahrzehnte zur dauerhaften Präsenz in den eroberten palästinensischen Gebieten: Unilateraler Siedlungsbau auf zuvor annektiertem Land, der den Status quo tagtäglich durch die Schaffung von Tatsachen ändert. Die Zahl der jüdischen Siedler hat sich unter den Augen der Weltöffentlichkeit seit Beginn des Friedensprozesses mehr als verdoppelt. Unsere völlig berechtigte Frage an die Internationale Gemeinschaft, worauf wir den Staat gründen sollen, wenn das Land von Israel weiter entgegen Völkerrecht dezimiert wird, blieb unbeantwortet. Die völkerrechtswidrige Politik Israels offenbart auf unübersehbare Art und Weise, dass Israel an Frieden einfach nicht interessiert ist. Für uns hat der Friedensprozess schon längst an Glaubwürdigkeit verloren.

Doch gerade weil wir die Zwei-Staaten-Lösung als realistischere Alternative ansehen und die Einhaltung des Völkerrechts fordern, haben wir mit dem Aufbau staatlicher Strukturen begonnen. Die Weltgemeinschaft unterstützt unser Vorhaben aktiv, darunter auch die Bundesrepublik. Weltbank (September 2010) und Internationaler Währungsfonds (April 2011) bescheinigten uns ein erfolgreiches State Building, einschließlich transparenter Strukturen und sauberer Finanzen. Damit erfüllt Palästina alle internationalen Kriterien für Staatlichkeit. Was die Geburt unseres Staates hindert, ist die israelische Politik, die den Friedensprozess torpediert, der vor mehr als zwei Jahrzehnten seinen Anfang nahm.

Der Nahost-Konflikt in Bildern:

Darüber hinaus versucht die israelische Regierung existierende palästinensische Strukturen zu destabilisieren. In den letzten Wochen demonstrierten in der Westbank viele Palästinenser, forderten Steuererleichterungen, die Auszahlung ihrer Gehälter und damit eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Hintergrund der sich zuspitzenden Situation ist die fortdauernde israelische Besatzung, die die Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft verhindert. Mehr als 300 Checkpoints sowie Export und Import, die unter vollständiger israelischer Kontrolle stehen, bieten keinen Raum für die Entwicklung. Die palästinensischen Behörden haben zu 60 Prozent des Landes keinen Zugang (sogenannte C-Zonen, die unter israelischer Kontrolle stehen) und damit auch zu so wichtigen Ressourcen wie Wasser.

Der Autor ist Botschafter und Leiter der Palästinensischen Mission in Deutschland.
Der Autor ist Botschafter und Leiter der Palästinensischen Mission in Deutschland.

© promo

Das Osloer Abkommen sah die Gründung der Palästinensischen Behörde als Übergangsphase vor, die binnen fünf Jahren zu einem Staat führen sollte. Heute, nach mehr als 20 Jahren, muss sich die Behörde zu einem Staat entwickeln oder sie hat ihre Existenzberechtigung für immer verloren.

Seit dem Wochenende ist Präsident Abbas in New York, um mit dem Weg zur UNO im Interesse aller Beteiligten die Zwei-Staaten-Lösung zu retten. Dieser Schritt ist keine Alternative zu Verhandlungen mit Israel, jedoch werden diese mit der Aufnahme Palästinas formal auf eine neue völkerrechtliche Grundlage gehoben. Letztere ändert zwar nicht die machtpolitische Asymmetrie zwischen den Parteien, jedoch stellt sie die Balance mit Bezug auf uns als gleichberechtigten Verhandlungspartner wieder her.

Die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung ist auch im internationalen Interesse. Hinter der Idee, die mit dem Teilungsplan geboren wurde, stand die Hoffnung auf Stabilität und Frieden in der Region und darüber hinaus. Aufgrund israelischer Besatzungspolitik sind wir heute weit davon entfernt. Israel und die Weltgemeinschaft haben jedoch Optionen: die Zwei-Staaten-Lösung wie vorgesehen, die Ein-Staaten-Lösung, bei der Israelis und Palästinenser gleichberechtigt zusammenleben oder den Apartheidstaat.

Der Autor leitet die Palästinensischen Mission in Deutschland. Im Februar dieses Jahres hat Außenminister Guido Westerwelle bei einem Besuch in Ramallah eine Aufwertung der diplomatischen Vertretung der Palästinenser in Deutschland verkündet. Rückwirkend zum 1. Januar 2012 ist der Leiter der Palästinensischen Mission in Deutschland befugt, den Titel "Botschafter" zu führen.

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