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Papst Franziskus reist in den Nahen Osten.

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Papst Franziskus im Heiligen Land: Die Sprache der Zeichen

Die Pilgerfahrt des Papstes im Nahen Osten könnte ein historisches Ereignis werden, weil sie offenkundig vom Willen zum Dialog geprägt ist. Die Lasten der Vergangenheit, die seinen deutschen Vorgänger Benedikt plagten, drücken Franziskus kaum.

Eine Pilgerfahrt. So möchte der Vatikan die Reise des Papsts ins Heilige Land verstanden wissen. Ein frommer Diener Gottes, der als einfacher Wallfahrer die Heimat Jesu und die Wiege des Christentums besucht – das passt zur demonstrativen Bescheidenheit, die Franziskus predigt und vorlebt. Gott, Gebete und Gemeinschaft sollen bis Montag im Mittelpunkt stehen. Warum auch nicht? Das sind die Grundfesten einer Kirche.

Doch Franziskus weiß sehr wohl: Sein Aufenthalt in Jordanien, im palästinensischen Westjordanland und in Israel ist ein Ereignis von Welt. Ob es der Argentinier will oder nicht, bei fast allen Programmpunkten spielt die Politik eine herausragende Rolle. Immerhin bewegt sich Jorge Mario Bergoglio auf dem verminten Terrain des Nahen Ostens – einer von Krisen geplagten, stets spannungsgeladenen Region. Welch ein Kontrastprogramm zu Franziskus’ Spiritualität.

Wenn nicht alles täuscht, ist der Pontifex gewillt, diese Herausforderung anzunehmen. Mehr noch, seine Pilgerfahrt könnte sogar eine historische werden, weil sie offenkundig vom Willen zum Dialog geprägt ist. „Damit sie eins seien“, lautet das Motto der Reise. Es bezieht sich zwar in erster Linie auf das schwierige Verhältnis zwischen West- und Ostkirche, aber zweifellos besitzt der Leitgedanke auch fürs Große und Ganze Gültigkeit. Auf Gott vertrauend heißt seine Mission Versöhnung.

Die Voraussetzungen dafür sind bestens. Die Lasten der Vergangenheit, die seinen deutschen Vorgänger Benedikt plagten, drücken Franziskus kaum. Der 77-Jährige wird diese Unbefangenheit zu nutzen wissen. Und dass er es ernst meint mit dem Wunsch nach Ausgleich, zeigen seine Reisebegleiter: ein Rabbiner und ein Islamgelehrter. Beide sind langjährige Freunde Bergoglios. Bloß Symbolpolitik? Diese Reaktion wäre nur ein Reflex. Außerdem: Der Nahe Osten ist für Zeichensprache sehr empfänglich.

Gerade in Israel, das sich isoliert fühlt, dürfte eine derartige Geste gut ankommen. Womöglich leistet das Oberhaupt der katholischen Kirche bahnbrechende Wiedergutmachungsarbeit und erweist sich so als Freund. Beim Besuch des Grabes von Theodor Herzl könnte sich der Papst für historisches Unrecht entschuldigen; denn einst hatte ein früherer Chef des Vatikan dem Begründer des politischen Zionismus die Unterstützung für einen jüdischen Staat verweigert. Es ist Zeit, diesen Fehler einzugestehen und ein neues Kapitel in den katholisch-jüdischen Beziehungen aufzuschlagen.

Franziskus als wohlmeinender Mahner, nicht als neunmalkluger Bescheidwisser

Solches Entgegenkommen gibt dem Bischof von Rom die notwendige Bewegungsfreiheit, seine Aufgabe wahrzunehmen: als wohlmeinender Mahner, nicht als neunmalkluger Bescheidwisser. Das schließt klare Worte nicht aus. Sie sind vielmehr geboten – zur Lage der Palästinenser oder zur Situation der im Geburtsland Jesu lebenden Christen. Sie fühlen sich zunehmend bedroht, auch von jüdischen Extremisten, die die „Ungläubigen“ mit ihrem Hass verfolgen. Wie überhaupt die Christen in Nahost von Fanatikern drangsaliert werden.

Aber selbst dieses Thema könnte in den Hintergrund treten. Den Nachfolger Petri treibt vor allem die Einheit des Christentums um. Heute trifft Franziskus den orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. In Christi Grabeskirche wollen sie mit Vertretern anderer Kirchen beten. Ein historischer Moment dieser Pilgerreise. Es wird nicht der einzige bleiben.

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