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Meinung: Parlamentswahlen in Kanada: Kanada wird kleiner

Wenn der Riese USA niest, bekommt Kanada eine schwere Grippe. Das Rollenverhältnis aus dem Sprichwort scheint in diesen Tagen aufgehoben zu sein.

Wenn der Riese USA niest, bekommt Kanada eine schwere Grippe. Das Rollenverhältnis aus dem Sprichwort scheint in diesen Tagen aufgehoben zu sein. Die US-Präsidentenwahlen sind auch drei Wochen nach dem Urnengang noch nicht entschieden. In Kanada dagegen geht die Regierung ohne Verzug gefestigt in eine neue Amtszeit. Die schnelle und eindeutige absolute Mehrheit für Jean Chrétiens sozialdemokratisch geprägte Liberale Partei ist nicht nur ein persönlicher Erfolg des alten, neuen Premierministers und seiner erfolgreichen Haushaltskonsolidierung. Die Bürger Kanadas sehen darin auch einen Sieg ihres schlichten, zentralistischen Wahlsystems über das komplizierte, dezentral angelegte US-System.

Emanzipation vom dominierenden Nachbarn gibt es auch noch in einem anderen Punkt: Die Kanadier haben den US-amerikanisch geprägten sozialpolitischen Vorstellungen des rechten Herausforderers Stockwell Day eine Abfuhr erteilt. Das kanadische Gesundheitssystem, das allen Bürgern die gleiche Versorgung garantiert, war im nur 30 Tage dauernden Wahlkampf eines der Symbol-Themen. Day und seine Canadian Alliance wollten es teilweise privatisieren - angelehnt an die Systeme der USA und auch der Bundesrepublik. Das haben die Wähler verhindert: Das Sozialsystem soll in der Hand der kanadischen Bundesregierung bleiben, wie Chrétien es versprach.

Dass Chrétien mit einer solch überwältigenden Mehrheit gewählt wurde, ist umso bemerkenswerter, als seine Erfolge in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik jüngst überschattet wurden durch Vorwürfe der Begünstigung bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln. Die Überprüfung hatten Chrétien und seine Parteifreunde blockiert.

Ein Schatten fällt allerdings auf den strahlenden Sieg. Im föderalistisch geprägten Kanada deutet sich eine neue regionale Kluft an. Während die alte Polarisierung zwischen französisch und englisch geprägten Kanadiern diesmal weniger zum Tragen kam und der im Osten des Landes auf Unabhängigkeit drängende Bloc Québecois in der Wählergunst einbrach, ist in den westlichen Regionen des Landes eine neue Abgrenzungsbewegung auf dem Vormarsch. Dort erzielte die Canadian Alliance mit ihrem Steuersenkungsprogramm bemerkenswert gute Ergebnisse auf Kosten der Liberalen: ein Protest gegen die zentrale Steuerung aus dem tausende von Kilometern entfernten Ottawa - und wohl auch ein Signal der Ausrichtung der westkanadischen Staaten in Richtung USA.

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