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Meinung: Parteien im Krieg: Der Ernstfall scheidet die Geister

Einige haben verstanden, andere nicht, wieder andere tun sich schwer damit. Doch überall ist der scharfe Zug spürbar, der durch die deutsche Parteienlandschaft geht.

Einige haben verstanden, andere nicht, wieder andere tun sich schwer damit. Doch überall ist der scharfe Zug spürbar, der durch die deutsche Parteienlandschaft geht. Die Herausforderung der Demokratie durch den Terror erweist sich nicht nur als Zäsur, sondern auch als Wegscheide. Im wörtlichen Sinne: An diesem Ernstfall scheiden sich die politischen Kräfte, die Richtungen, die Hierarchien der Werte. Und zum ersten Mal seit langem sind es nicht die klassischen Themen der Innenpolitik, an denen sich die Parteien beweisen müssen, sondern die Grundfragen der Außenpolitik. Selbst auf die Frage, wer mit wem nach der Wahl am Sonntag das kleine Land Berlin regieren wird, fällt der Schatten der großen Berliner Politik - und rückt ein mögliches rot-rotes-Bündnis in den Bereich des Ungewünschten.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Gegenschlag - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Diese Verschiebung im Spektrum der politischen Auseinandersetzung trägt einerseits dazu bei, die Anti-Terror-Front von SPD, Union und FDP zusammenzuhalten - immerhin haben die bundesrepublikanischen Alt-Parteien eine Ahnung davon, wie heikel solche Weichenstellungen sein können. Andererseits nagt die Wendung an der Koalition. Für die Grünen mit ihrem unsicheren Verhältnis zu staatlicher Machtausübung ragt hier eine Klippe auf, an der sie scheitern können, und nur den Beschwörungen des Außenministers haben sie es vermutlich zu verdanken, dass das bisher nicht geschehen ist. An der PDS kann man schließlich studieren, wie man sich auf diesem Terrain ins Abseits befördern kann. Eben noch auf dem Weg in die Beletage der Politik, angelockt von Kanzler-Gesten und der Aussicht auf eine Rolle im großen Machtpoker, sieht sie sich plötzlich in die Ecke gestellt.

Mag sein, dass die SPD der Verführung nicht widerstehen konnte, dem Möchtegern-Partner seine Grenzen zu zeigen. Aber es muss doch zu denken geben, dass es nicht die Sympathie der PDS für den Sozialismus, ihre Anhänglichkeit an die DDR oder ihre fragwürdigen Wirtschaftsvorstellungen waren, an denen die Kluft zwischen ihr und den anderen Parteien aufriss, sondern ihre Haltung in der Krise. Die Vorwürfe von SPD-Generalsekretär Müntefering und ihr Ausschluss von den regierungsamtlichen Informationen ratifizieren nur ein Abrücken, das tiefere Gründe hat.

Offenbar gewinnt in solchen dramatischen Zeiten die Außen- und Sicherheitspolitik wieder jenen Primat, den sie in "normalen" Zeiten längst an die Innenpolitik abgegeben hat. Das liegt nicht nur an der Bedeutung, die Schutz und Gefahrenabwehr zuwächst. Im Angesicht der Bedrohung wird von der Politik auch die Definition von Zugehörigkeit und die Versicherung von Handlungsfähigkeit erwartet. Sie muss die Fundamente sichtbar machen, auf denen Staat und Gesellschaft stehen.

Dass Außenpolitik Schlüsselcharakter hat, ist übrigens nichts Neues: Mit der Durchsetzung der Westbindung kam die Union für bald zwei Jahrzehnte an die Spitze, mit der Ostpolitik die SPD, im Streit um die Nachrüstung stieg die Union auf, und dass SPD und Grüne die Bedeutung der Wiedervereinigung nicht erkannten, hielt sie nochmals zwei Legilaturperioden von der Macht fern.

Ob wir uns in einer solchen Situation befinden, weiß niemand. Aber die Anspannung ist greifbar. Aus dem Stimmengewirr sind die Geräusche des Umdenkens herauszuhören und niemand würde sich wundern, wenn die Drehbühne der Politik heftig in Bewegung geriete. Zur Debatte steht die deutsche Rolle in der internationalen Politik. In Wahrheit geht es um mehr: um eine Verfassung dieser Republik, die der Veränderung der Weltlage gewachsen ist.

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