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Meinung: PDS-Debatte: Macht macht Krummes gerade

Es gibt Erklärungen, deren Wert schon dadurch gemindert wird, dass ihre Absichten zu deutlich sind. Weiß das die PDS nicht?

Es gibt Erklärungen, deren Wert schon dadurch gemindert wird, dass ihre Absichten zu deutlich sind. Weiß das die PDS nicht? Sie weiß es, natürlich. Sie hat ja auch in ihrer Erklärung zum Mauerbau ausdrücklich darauf bestanden, dass Geschichtsdebatten keine kurzatmigen Manöver zum parteitaktischen Vorteil sein dürften. Aber wie soll man denn diese Erklärung anders begreifen - zu Beginn eines Wahlkampfes, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Partei keinen Zweifel mehr daran lässt, dass sie um fast jeden Preis an die Macht will? Sie mag das bemerkenswerte Dokument einer Parteiführung sein, die mit sich selbst und, vor allem, ihren Mitgliedern darum ringt, dem Schatten von Vergangenheit und Ideologie-Verdacht zu entkommen. Aber, hier und heute, in einem Berlin, das - durch die Enttabuisierung der Zusammenarbeit mit der PDS - vor dem größten politischen Wagnis seiner Nachkriegszeit steht, ist diese Erklärung vor allem der Versuch, an das Eintrittsbillett zur Teilhabe an der Macht zu kommen.

Die PDS ante portas: Soll man ihr das Tor öffnen? Man muß der Partei zugute halten, dass sie sich ganz schön weit herausgelehnt hat. Es ist schon etwas, dass die einfache Wahrheit, kein Staat dürfe seine Bürgerinnen und Bürger zwingen, in ihm zu leben, und jeder müsseselbstbestimmt über sein Leben entscheiden können, weil er nur ein Leben hat - dass diese Selbstverständlichkeit, die zum Grundbestand politischer Zivilisation gehört, nun auch die PDS erreicht hat. Diese Erkenntnis würde, konsequent weiter gedacht, ihr ideologisches Gehäuse sprengen. Aber am Ende läuft es doch wieder darauf hinaus, dass ein böser Geist namens Stalinismus die DDR daran gehindert hat, sich gehörig zu demokratisieren. Die Idee war gut, aber die Praxis zeigte Schwächen. Kommt einem, mit Verlaub, bekannt vor.

Die PDS hat sich gewandelt, jedenfalls soweit ihre Führung für sie spricht. Man trifft sie auch nicht mehr, wenn man mit der großen antikommunistischen Keule Baujahr 1955 auf sie einschlägt. Doch bei aller gewonnenen Distanz zu SED und DDR ist es noch immer der fatale Zug zur rückwärtsgewandten Rechtfertigung, der ihr Reden und Handeln leitet. Sie spricht, mit Zorn in der Stimme, vom Stalinismus - selbstverständlich verurteilt sie ihn als Quelle allen Übels -, und erlaubt sich, vom gewöhnlichen Real-Sozialismus der DDR zu schweigen. Sie missbilligt die Mauer, nicht ohne sie wenigstens auch ein bisschen zu rechtfertigen - Weltlage, Kampf der Systeme und so -, und rückt die trübe Herrschaft, die die großen und kleinen Funktionäre ausübten, ihre Enge und ihre Reglementierungs-Lust, in ein verharmlosendes Licht. Sie träumt sich einen schönen Sozialismus - und schreckt vor der entscheidenden Lehre aus den vier Jahrzehnten Sozialismus-Versuch auf deutschem Boden zurück: dass, wer Sozialismus sagt, immer Gefahr läuft, auch Stasi und Repression und Ruinierung des Landes sagen zu müssen. Und so ergibt sich der Fall, dass die PDS-Führung die Erfolge, die die Partei erringt, als Ertrag ihrer Reform-Anstrengungen verbucht - während die alten Kader-Truppen in den ost-berliner Plattenburgen sich durch die PDS-Gewinne in ihrer Rückwärtsgewandtheit gestärkt fühlen.

Ja, es ist richtig, dass die PDS von vielen im Osten gewählt wird, aus unterschiedlichen Motiven. Es trifft auch zu, dass viele die PDS trotz der Partei wählen. Zur Rechtfertigung spielen sich in intellektuellen Kreisen die Polit-Zyniker das Witzwort zu, dass, wer die Partei wählen will, nicht in ihre Versammlungen gehen dürfe. Aber es bleibt auch wahr, dass der PDS keineswegs der Alleinvertretungsanspruch für den Osten zusteht, nicht einmal in Berlin. Hält man sich an die Wählerzahlen, entscheidet sich selbst dort die Hälfte, in den neuen Ländern eine Drei-Viertel-Mehrheit nicht für die PDS. Insofern ist die Behauptung ziemlich weit her geholt, die Einbindung der PDS werde den Kalten Krieg beenden. Es spricht mindestens ebenso viel dafür, dass sie alte Wunden wieder aufreißt und neue schlägt.

Aber es gibt doch Gregor Gysi, den PDS-Neutralisierer für die Gebildeten unter den Verächtern der Politik? Seine Rolle wird, im Gegenteil, die des PDS-Verstärkers sein. Und niemand soll hinterher sagen, er habe das nicht geahnt.

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