zum Hauptinhalt

Meinung: PDS: Taktische Wahrheiten

Momentan lässt sich noch nicht abschätzen, ob die PDS nach den Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus für die Senatsbildung benötigt wird. Rot-Grün hofft auf eine Mehrheit, die notfalls auch noch mit Hilfe der FDP zu Stande kommen könnte.

Momentan lässt sich noch nicht abschätzen, ob die PDS nach den Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus für die Senatsbildung benötigt wird. Rot-Grün hofft auf eine Mehrheit, die notfalls auch noch mit Hilfe der FDP zu Stande kommen könnte. Die Beteiligung der PDS scheint erst als letzte Option von der Berliner SPD betrachtet zu werden. Woher rühren die Bedenken, die eben keineswegs auf die CDU beschränkt sind, von dieser jedoch tendenziell politisch instrumentalisiert werden? Es ist weniger die aktuelle Programmatik der PDS, auch wenn diese mehr Fragen offen lässt, als dass sie Antworten auf die Berliner Probleme liefert. Es ist der Umgang der PDS mit der Vergangenheit, der auch zehn Jahre nach der Vereinigung eine Zusammenarbeit in Berlin sehr schwierig macht.

Keine Frage: Die PDS hat Probleme mit ihrer Vergangenheit und die anderen haben Probleme damit, wie sie damit umgeht. Die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer und ihre Berliner Kollegin Petra Pau haben in einer Erklärung bedauert, dass die Vereinigung von KPD und SPD mit Zwangsmaßnahmen und Mitteln der Täuschung durchgeführt wurde und Sozialdemokraten Opfer dieser Politik geworden sind. Dies sind neue Töne - vergleicht man sie mit Äußerungen aus dem Jahr 1996. Auch die Erklärung des PDS-Parteitages von Berlin, dass die Todesschüsse an der Mauer durch nichts zu entschuldigen seien, liegt auf einer ähnlichen Linie.

Doch gibt es daneben nach wie vor auch ganz andere Positionen. Zimmer und Pau selbst haben ihre Erklärung mit merkwürdigen Angriffen auf die Sozialdemokratie der Weimarer Republik verbunden. Auch hier wäre seitens der PDS mehr Selbstkritik erforderlich: hinsichtlich des putschistischen Bodensatzes in der KPD, im Hinblick auf die absurde Sozialfaschismus-Theorie und ihren Kampf gegen die Republik und ihre Verfassung. Im Übrigen ist unübersehbar, dass die Einschätzung zur Zwangsvereinigung 1945/46 in der PDS und in ihrem Umfeld auf Widerstand stößt und der Bau der Mauer vom stellvertretenden PDS-Vorsitzenden Porsch als Werk des Friedens bezeichnet worden ist. Die Diskussion in der PDS ist nicht nur unabgeschlossen; sie wirkt vielfach immer noch halbherzig.

Sie ist deshalb so bedeutsam, weil sie die Maßstäbe sichtbar macht, mit denen in der PDS Vergangenheit und Gegenwart beurteilt werden. Werden in der PDS Menschen- und Bürgerrechte inzwischen als unveräußerliche Rechte betrachtet oder stehen sie immer noch situativ zur Disposition um höherer Zwecke willen? Darauf muss es eindeutige Antworten geben.

Was die neuen Positionen von Zimmer, Pau und anderen angeht, so ist der Eindruck nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es vor allem darum geht, koalitionsfähig zu werden, die Neubewertungen taktisch mitbedingt sind. Inwieweit die kritische Sicht sich wirklich durchsetzt, kann erst die Zukunft zeigen.

Allerdings ist ein Grundproblem der PDS-Vergangenheitssicht unübersehbar: Von Anfang an wollte sie immer beides - einerseits das Erbe der SED antreten (Teile der PDS sehen immer noch als ihre Aufgabe an, die kommunistische Vergangenheit zumindest teilweise zu verteidigen), andererseits als neue Partei erscheinen. So kommt es, dass selbst da, wo die PDS bzw. Repräsentanten der PDS die SED und die KPD kritisieren, sie dieser Tradition dialektisch verbunden bleiben. Angesichts der widersprüchlichen Grundposition kann die PDS ihrer Geschichte nicht entrinnen, sie ist auf diese verwiesen und wird nach ihr gefragt. Der im Entwurf des Grundsatzprogramms unternommene Versuch, die "Ursprünge der PDS" im "Aufbruch des Herbstes 1989" zu suchen, überzeugt jedenfalls nicht.

So wird die PDS auch in der veränderten Konstellation ihr Verhältnis zur Geschichte glaubwürdig darlegen müssen. Für die Opfer der kommunistischen Dikatur ist die Vergangenheit ohnehin lebendig: Wir sind es ihnen schuldig, die Erinnerung an dieses Unrecht im kollektiven Gedächtnis wachzuhalten. Um der politischen Kultur des Landes willen darf nicht der Mantel des Schweigens über diese Vergangenheit gelegt werden. Ich denke, die Sozialdemokratie weiß, dass vor allem sie dafür zu sorgen hat.

Bernd Faulenbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false