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Es ist unverzichtbar, dass die Grünen vor der Bundestagswahl ihre offene Führungsfrage klären.

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Personaldebatte bei den Grünen: Vier gewinnt nicht

Doppelspitze oder Quartett, Mann oder Frau, Realo oder Fundi: Die Grünen verschieben ihre Personalentscheidungen – und verschärfen so den Konflikt.

Die Komik war nicht beabsichtigt: Es gebe keine Personaldebatte in ihrer Partei, versichert die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth am Montag. Schließlich hätten sich die möglichen Bewerber, die für eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013 infrage kämen, auch noch nicht geäußert. Oder frei übersetzt: Solange keine Namen im Spiel sind, kann auch nicht über Personal gestritten werden.

Ob diese Strategie aufgehen wird, ist fraglich. Es ist unverzichtbar, dass die Grünen vor der Bundestagswahl ihre offene Führungsfrage klären. Das Spitzen-Quartett – dazu gehören neben den Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir die beiden Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin – hat sich in den in den vergangenen Monaten misstrauisch belauert. Zwischen den vier Spitzen-Grünen schienen immer wieder strategische Differenzen auf. Keine besonders gute Voraussetzung, um einen überzeugenden Wahlkampf hinzulegen.

Welche Schlussfolgerungen die Grünen aus dem Unmut über das amtierende Quartett ziehen sollten, ist in der Partei jedoch umstritten. Ironischerweise gab es ausgerechnet aus dem Realo-Lager Überlegungen, den zum linken Flügel gehörenden Trittin zum alleinigen Spitzenkandidaten zu wählen. Ein Mann an der Spitze einer Partei, die sich ansonsten für Frauenquoten einsetzt – das war nicht nur für Grünen-Chefin Roth ein Tabubruch, den sie nicht begehen wollte. Auch andere Frauen aus der Grünen-Führung haben in schlechter Erinnerung, wie sie auf offener Bühne dafür kämpfen mussten, dass für Joschka Fischer eine solche Ausnahme gemacht wurde. Nicht zuletzt wollte offenbar auch Trittin nicht offen darum kämpfen, als einzelner Spitzenkandidat ins Rennen zu gehen.

Den Ausweg soll nun eine quotierte Doppelspitze bieten. Wer die Grünen in die Bundestagswahl führen wird, sollen die rund 59 000 Mitglieder in einer Urwahl bestimmen. Doch auch wenn die personelle Zuspitzung richtig ist, birgt dieses Verfahren deutliche Risiken. Roths Beteuerung, es gebe keine Personaldebatte, ist absurd. Mit dem Votum für eine Urwahl haben die Grünen den Startschuss für eine solche Debatte gegeben – mitten in wichtigen Landtagswahlkämpfen. Dass die potenziellen Kandidaten sich noch nicht zu ihren Ambitionen äußern wollen, lässt die Führungsfrage nicht verschwinden.

Neu sortieren muss sich das Realo-Lager: Bekommt die bisherige Vorzeigefrau Künast noch eine Chance, die intern umstritten ist, aber bundesweit einen Ruf hat, nicht zuletzt aus ihrer Zeit als Verbraucherministerin? Oder stellen die Reformer eine andere Kandidatin auf – wie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die Ausstrahlung ins bürgerliche Lager haben könnte?

Wenn die Grünen sich noch lange über Personalfragen streiten, kann das gefährlich werden. Der Partei stehen in den nächsten Monaten ohnehin harte Auseinandersetzungen darüber bevor, mit welchen Versprechen sie in die Wahlen ziehen will – was finanzierbar ist und was nicht.

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