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Philipp Mißfelder: „Wir haben mehr Substanz zu bieten“

Ein junger Wilder ist Mißfelder nicht, aber auch nicht angepasst. Auf dem CDU-Parteitag soll der Chef der Jungen Union ins Präsidium gewählt werden.

Es war kurz vor sechs Uhr morgens, als Philipp Mißfelder im Sommer 2005 folgenden Satz sagte: „Der Staat muss sich viel stärker kümmern, das muss meine Partei begreifen.“ Der Chef der Jungen Union war früh aufgestanden, um mit dem damaligen Juso-Chef und heutigen Sprecher der Linken in der SPD, Björn Böhning, über Deutschlands Zukunft zu diskutieren. Unter dem Motto: Muss die Jugend früher aufstehen, um mehr zu erreichen? Zu morgendlicher Stunde gab Mißfelder erstaunliche Einblicke in die festgezurrten Strukturen seiner Partei, der er – wie den anderen Parteien auch – vorwarf, „Angst vor Diskussionen“ zu haben.

Über Mißfelder, der auf dem CDU-Parteitag, der am Wochenende beginnt, ins Präsidium gewählt werden soll, kann man mit Sicherheit sagen: Ausgeschlafen ist er, Angst vor Diskussionen hat er nicht. Und weil das so ist, muss man natürlich an sein, sagen wir, politisches Gewittererlebnis erinnern, das gleichzeitig sein politisches Ende hätte sein können. Im Tagesspiegel sagte er 2003: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“ Morddrohungen empörter Bürger ließen nicht lange auf sich warten. Aber nach einer Entschuldigung wegen „Verletzung der Gefühle“ blieb er bei seiner Position, das Gesundheitssystem müsse reformiert werden, und man dürfe nicht nur zu Lasten der jungen Generation haushalten. 2007 stimmte er als einer von 23 Unionsabgeordneten gegen die umstrittene Gesundheitsreform.

Mißfelder ist, wie vielen Jungpolitikern, Karrierebesessenheit und mangelnde Kampferfahrung vorgeworfen worden. Der 29-Jährige kontert: „Die meisten der angeblich so kampferprobten 68er und ihre damaligen Gegner sind nur neidisch, dass wir heute in der Sache mehr Substanz zu bieten haben.“ Substanz hat Mißfelder, 1979 in Gelsenkirchen geboren, Historiker und Christ, übrigens immer von seiner Partei gefordert. Nach der verlorenen Wahl 2005 wollte er eine ehrliche Analyse der Wahlfehler. Kürzlich, als er zum vierten Mal zum Chef der Jungen Union gewählt wurde, mit dem bisher besten Ergebnis (89,1 Prozent), griff er zwar Kanzlerin Angela Merkel nicht frontal an, aber die Frage nach dem Wirtschaftsprofil der CDU, ja überhaupt nach einem Profil, stellte er schon.

Ein junger Wilder ist Mißfelder nicht, aber auch nicht angepasst. Am Freitag stimmte er gegen die von Merkel ausgehandelte Erbschaftsteuer – wie Friedrich Merz. An der Stelle, wo Merz nicht mehr oder noch nicht wieder gehört wird, an der Stelle des wertkonservativ, christlichen Politikers, könnte Mißfelders Zukunft am größten sein. Karrieresorgen jedenfalls muss er sich nicht machen. Armin Lehmann

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