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Jesus mochte die Frauen - und sie mögen in. Betende in Jerusalem.

© dpa

Plädoyer für Offenheit: Vielstimmigkeit statt Eingrenzung in den Religionen

Die Religionen sind vieldeutiger und widersprüchlicher, als es manche wahrhaben wollen. Das zeigen nicht zuletzt jüngste Hinweise auf Jesus' Frau. Für Vielstimmigkeit und gegen die Enge, gegen patriarchale Ausgrenzung und Kleinmacherei im Namen Gottes sollten Christen, Muslime und Juden gemeinsam werben.

Für Jesus war das Große klein und das Kleine groß. Er hatte nicht viel übrig für mächtige Männer und umgab sich lieber mit denen am Rande der Gesellschaft: mit armen Fischern, Zöllnern – und mit Frauen. Frauen hatten in der griechischen, römischen und auch in der jüdischen Gesellschaft wenig zu sagen. Bei Jesus saßen sie gleichberechtigt am Tisch und diskutierten mit. Das war revolutionär. Ein neuer Papyrusfund weist darauf hin, dass Jesus möglicherweise sogar verheiratet war.

Frauen haben die ersten urchristlichen Gemeinden mitgegründet und dort verantwortungsvolle Positionen bekleidet. Sie waren Prophetinnen und Missionarinnen. Freilich nicht in allen jungen Gemeinden, denn das Urchristentum war bunt. Es gab viele verschiedene Gruppierungen, esoterische und orthodoxe, frauenfreundliche und eben auch frauenfeindliche. Alle kämpften um Macht und Einfluss auf die Frage, wie Jesu Leben und Handeln zu deuten ist. Durchgesetzt haben sich die frauenfeindlichen Kreise. Durchgesetzt hat sich Paulus, von dem der Ausspruch überliefert ist: „Frauen sollen schweigen in der Gemeinde und sich unterordnen.“

Frauenfeindlichkeit passte auch besser in den römisch-griechischen Mainstream der damaligen Zeit. Schließlich wollten die Christen keine kleine Sekte in Galiläa bleiben. Für den Anschluss an die große Welt nahm die junge Kirche in Kauf, sich von dem historischen Jesus zu entfernen, ihren revolutionären Kern in manchem Punkt zu verraten – mit fatalen Konsequenzen für die Sache der Frauen.

Wäre es nach Jesus gegangen, hätten die Frauen nicht 2000 Jahre für ihre Rechte kämpfen müssen, oft gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche. Es wäre der Welt viel männlicher Pomp, patriarchale Arroganz und Unterdrückung von Frauen erspart geblieben. Es hätte keine Hexenverbrennungen gegeben, Frauen wären auch in der katholischen Kirche heute womöglich Bischöfinnen und katholische Priester verheiratet.

Es wurde schon oft darauf hingewiesen, dass zwischen dem, was Jesus tat und dachte und dem, was die katholische Kirche daraus machte, in vielem eine Lücke klafft. Auch über die Kluft zwischen der Kirchenlehre und dem Leben der heutigen Menschen, zumindest in den westlichen Gesellschaften, wurde schon viel gesprochen. Dennoch kann man nicht oft genug darauf hinweisen – der Papyrusfund ist eine gute Gelegenheit. Denn gerade Papst Benedikt XVI. ist angetreten, Europa zu erneuern. Vor zwei Jahren hat er ein eigenes Ministerium im Vatikan gegründet, um dieses in weiten Teilen vom Glauben abgefallene Europa neu zu begeistern für die Ideen des Christentums.

Bei seinem Besuch in Deutschland hat der Papst seiner Kirche ins Gewissen geredet, nicht an der weltlichen Macht zu kleben und sich auf ihren Kern zu besinnen: auf die Botschaft von Jesus Christus. Diese Botschaft aber war vieldeutiger, als es Benedikt suggeriert, und sie war viel frauenfreundlicher, als es die katholische Kirche vorlebt. Um den Anschluss an das heutige Europa nicht zu verpassen, wäre es wichtig, sich erst einmal daran zu erinnern.

Auch der Koran ist ja vieldeutiger und widersprüchlicher, als es fundamentalistische Wahabisten und Salafisten wahrhaben möchten. Für diese Vielstimmigkeit und gegen die Enge, gegen patriarchale Ausgrenzung und Kleinmacherei im Namen Gottes sollten Christen, Muslime und Juden gemeinsam werben. Dafür würde es sich sogar lohnen, auf die Straße zu gehen – statt Fundamentalismus hochleben zu lassen.

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