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Meinung: Polens Populisten

Die Rüpel in Warschau schaden dem polnischen Image in Europa und der Welt

Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags wird in dieser Woche wieder einmal ein Bundespräsident nach Warschau reisen. Doch gut nachbarschaftlich sind die von Polen entsandten Signale längst nicht mehr. Rumpeldiplomatie und patriotisches Pathos haben das vor Monaten noch erkennbare Bemühen um eine Neubelebung der Nachbarschaftsehe ersetzt. Nahtlos ins triste Bild fügt sich der Koalitionsbeitritt extremistischer Populisten: Das Schüren antideutscher Ressentiments sehen die patriotischen Eiferer nun mit der Aufwertung zu Ministern honoriert.

Wie kein anderer EU-Partner hatte sich Deutschland um die Aufnahme der Nachbarn in Europas Wohlstandsbündnis bemüht. Dass Berlin als größter EU-Finanzier den Löwenanteil des Subventionssegens für den größten Netto-Empfänger trägt, wird in Warschau indes kaum mehr wahrgenommen. Stattdessen kann ein Minister seine Berliner Kollegen mit Hitler-Diplomaten vergleichen – und sich des klammheimlichen Beifalls seiner Vorgesetzten sicher sein.

Doch der Eindruck, dass eine Nation über Nacht populistischen Heilsparolen erlegen ist, ist falsch. Die Stimmung in der Gesellschaft spiegelt das Zweckbündnis von Polens Polterpatrioten keineswegs wider. Am meisten besorgt über den Kabinetteinzug der Populisten sind die Polen selbst. Auch die Schienbeintritte gegen Berlin sind keineswegs ein Ausdruck einer zunehmenden Skepsis gegenüber den Deutschen, Umfragen zufolge sind die Vorbehalte langsam am Schwinden. Kaum irgendwo ist die Zustimmung zur EU so groß wie im Land mit den Europaskeptikern auf der Regierungsbank.

Der Machtwechsel ist die einzige Konstante von Polens Politik. Kein Kabinett hat sich seit 1989 länger als eine Legislaturperiode gehalten. Der stete Stabwechsel zwischen Rechts und Links und die zunehmende Politikverdrossenheit sind nicht nur mit den Entbehrungen des Wirtschaftsumbruchs zu begründen. Mit Vetternwirtschaft und Skandalen verspielte die Politikerkaste viel Vertrauen. Die klügsten Köpfe begannen bald, dem Sejm den Rücken zu kehren. Mit jedem Urnengang nahm das Niveau der Abgeordneten ab und sank die Wahlbeteiligung. 2001 zogen erstmals Populisten ins Parlament – und vergällten die Atmosphäre dort nachhaltig. Patriotische Krakeeler, korrupte Karrieristen, Ränkeschmiede und eitle Selbstdarsteller bestimmen heute das Geschehen.

Verwunderlich war der Erdrutschsieg der Rechten im Herbst kaum. Doch etwas überraschend wurde nicht die rechtsliberale PO, sondern deren Wunschpartner, der nationalkonservative PiS, zur stärksten Partei. Das zunächst installierte Minderheitskabinett der PiS wurde von den Populisten zwar toleriert, doch ohne feste Mehrheit brachte es kaum ein wichtiges Vorhaben durch. Die nach siebenmonatiger Dauerkrise vereidigte Koalition verfügt nun zwar über eine Mehrheit, hat aber mit den Wählerwillen wenig gemein. Auch die Anhänger der PiS konnten kaum damit rechnen, dass sie den größten Skandalnudeln der Republik zu Ministerämtern verhelfen würden.

International bescheren die Extremisten dem Land einen weiteren Imageverlust. Innenpolitisch sind neue Turbulenzen garantiert. Besorgten EU-Partnern und bestürzten Polen bleibt vorerst nichts anderes, als auf die Selbstzerfleischungskräfte der Koalition zu setzen. Denn eines ist in Polen sicher: Der nächste Wechsel kommt bestimmt.

Thomas Roser

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