zum Hauptinhalt
Was macht Wolfgang Bosbach (zweiter von rechts) am Sonntagabend? Er geht gerne zu "Günther Jauch".

© dpa

Politik und Politiker im Fernsehen: Heute als Show

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird Politik zunehmend ohne Politiker verhandelt. Das hat fatale Nebenwirkungen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Joachim Huber

Was schreit nach mehr Empörung? Dass nur 28 Prozent der Gäste in den politisch gemeinten Talkshows im deutschen Fernsehen Frauen sind? Oder ist es die andere Zahl, die der Talkshow-Monitor „meinungsmaschine.de“ herausgefunden hat: 36 Prozent der Teilnehmer in den Sendungen von Jauch, Plasberg, Will und Illner kommen aus der Politik.

Beide Zahlen verlangen nach Korrektur. Mehr Frauen müssen in die Gesprächssendungen, gleichermaßen mehr Politiker. Nach dem herrschenden Gesellschaftsklima werden die Frauen es schneller schaffen; eine Quote sollte – bitte, bitte – dafür nicht eingeführt werden. „Alibifrauen“ helfen der Sache der Frau nicht.

Sorry, Wolfgang Bosbach

Bleibt die Politiker-Kaste. Deren Zahl, egal ob Frau oder Mann, ist über die Jahre gesunken. Das war von den Sendern und von den Talk-Verantwortlichen so gewollt – eben eine Reaktion auf das Publikum, das von den „immergleichen Gesichtern“ mehr als genervt war. Für die „Sesselwärmer“ von CDU über Grüne und Linke bis SPD rückten dann vermehrt Journalisten und Unterhaltungsgrößen aus Funk und Fernsehen und Zeitschrift ein. Das hat die Sendungen sicherlich „bunter“ gemacht, vielleicht sogar volksnäher, gleichwohl sind die Nebenwirkungen beträchtlich bis fatal.

Politische Themen werden immer weniger von Politikern diskutiert. Darauf hat wiederum die Politik reagiert. Wer genau hinschaut, wird feststellen, dass die A-Liga aus Regierung und Opposition den Gang ins Studio mehr und mehr scheut. Sorry, Wolfgang Bosbach, aber dass der CDU- Innenpolitiker derzeit am häufigsten bei „Günther Jauch“ et alii zu sitzen kommt, ist eher Beleg für die gewollte Absenz der Spitzenpolitik als für die Kann-Alles-Kompetenz eines Wolfgang Bosbach.

Herrliche Zeiten, oder? Die politische Talkshow hat es geschafft, die Politiker zu vertreiben. Dass die allermeisten Talkshows damit keine politischen mehr sind, hat die Qualität nicht befördert und gefährdet zugleich die eigentliche Aufgabe. Das neue Kriterium heißt zu oft thematische Beliebigkeit und Gäste, die so meinungsstark wie ahnungslos sind.

Das Publikum nickt beifällig, ja, es jubelt regelmäßig, wenn in der „heute-show“ des ZDF die Politiker als Tölpel, Dummschwätzer und Garanten für Peinlichkeit vorgeführt werden. Politik wird vom Subjekt zum Objekt degradiert, die politische Sache wird Spielmaterial. Verlacht werden darf immer, gedacht werden immer weniger.

Emsig wird an der Quadratur des öffentlich-rechtlichen Kreises gearbeitet

Die Verkehrung der Verhältnisse hört bei Talk und Scherz nicht auf. Nach aktuellem Diskussionsstand über den neuen ZDF-Staatsvertrag werden im Fernsehrat des öffentlich-rechtlichen Senders keine Parteienvertreter mehr sitzen. Es ist der teutonischen Gründlichkeit geschuldet, wie das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das die „Staatsferne“ der Gremien deutlich erhöht sehen will, umgesetzt werden soll. Wollen mal sehen, wie grandios der Mainzelmann-Kanal wird, wenn die „Parias“ aus den Parteien nicht mehr mitkontrollieren.

Talkshow, „heute-show“, Gremien – emsig wird an der Quadratur des öffentlich-rechtlichen Kreises gearbeitet. Politik ohne Politiker, hier wird’s Programm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false