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Meinung: Politikaus derHalbwelt

Warum Jürgen W. Möllemann wieder zugeschlagen hat

Von Bernd Ulrich

Es ist ja nicht so, dass man in diesem leicht verkrusteten, immer noch recht staatsfixierten Land keine bürgerliche, ordoliberale Kraft bräuchte. Umso bedauerlicher ist es, dass die FDP die Chancen des Liberalismus in den letzten Jahren selbst verdorben hat. Zuerst mit einem missionarischen Neoliberalismus, der schon deshalb anti-bürgerlich war, weil er so maßlos wurde. Dann mit einer absurden Überdehnung ihres Wahlkampfes, einschließlich einer Spaßideologie in ziemlich unspaßigen Zeiten. Und nicht zuletzt dadurch, dass es der FDP-Führung nie wirklich gelungen ist, ihren Mann aus der politischen Halbwelt unter Kontrolle zu bekommen.

Jürgen W. Möllemann hat zugeschlagen und vier Tage vor der Wahl sein Spiel mit antisemitischen Gefühlen wieder aufgenommen. In einem Faltblatt an fünf Millionen Haushalte in Nordrhein-Westfalen greift er Ariel Scharon und Michel Friedman an.

Deja vu: Wieder umflattern aufgeregt und empört die FDP-Granden ihr Schmuddelkind. Wieder reagiert FDP-Chef Westerwelle weich und nennt Möllemanns Rückfall „unvernünftig“. Unvernünftig? Das wäre noch das Beste, wenn dieses einfältige Faltblatt undurchdacht wäre. In Wirklichkeit scheint die Aktion im Gegenteil gut durchdacht: Möllemann möchte in Nordrhein-Westfalen ein deutlich über dem Bundestrend der FDP liegendes Wahlergebnis erzielen. Dazu nutzt er die schlechten Gefühle, die zurzeit beim Thema Israel in Deutschland vorherrschen.

Viele Menschen machen hier zu Lande vor allem die USA und Israel für die Kriegsgefahr im Nahen Osten verantwortlich. Und die rot-grüne Regierung arbeitet diesmal aus außenpolitischen Erwägungen und innenpolitischem Kalkül nicht wirklich gegen diese Gefühle an. Da liegt es für den Stimmungsmacher und Stimmenfänger Möllemann nahe, seine alte Kampagne wieder zu beleben.

Wenn es Möllemann tatsächlich gelingt, damit ein besseres Ergebnis zu erzielen als Westerwelle im Bund, dann verbessert er seine Ausgangsposition für die Schlacht nach der Schlacht immens. Wenn die FDP am kommenden Sonntag einstellig bleibt und/oder wieder in der Opposition landet, dann wird es ab 18 Uhr 5 um die Schuldfrage gehen und um die künftige Strategie. Es liegt in Möllemanns Natur, dann zu behaupten, all das Überdrehte, Autosuggestive und Populistische am Wahlkampf der FDP sei nicht falsch gewesen, sondern – im Gegenteil – nicht extrem genug betrieben worden. Und außerdem habe das Tüpfelchen auf dem „i“ des Projekts 18 gefehlt, nämlich er, Möllemann, als Kanzlerkandidat.

Ihm geht es ohnehin darum, eine bürgerliche, ordoliberale, seriöse FDP unmöglich zu machen. Und solange Westerwelle nicht weiß, was er will, solange bleibt Möllemann eine Gefahr. Nicht nur für die FDP.

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