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Marisol Valles Garcia.

© AFP

Polizeichefin in Nordmexiko: "Angst haben ist völlig normal"

Die einen feiern sie als "mutigste Frau Mexikos", die anderen halten sie für naiv. Wahrscheinlich kommt beides zusammen. Die 20-jährige Marisol Valles Garcia wird Polizeichefin der nordmexikanischen Gemeinde Praxedis G. Guerrero - ein Himmelfahrtskommando.

Es war nicht schwer für die Studentin, die noch an ihrem Abschluss arbeitet und keinerlei praktische kriminalistische Erfahrung vorweisen kann, an den Job zu kommen: Niemand anderes bewarb sich für den Posten, der als Himmelfahrtskommando gilt.

Polizisten haben in Mexiko ein höheres Berufsrisiko als Bergarbeiter in China – und besonders hoch ist es in Marisol Valles’ Heimatgemeinde, wo alle Polizeichefs der letzten drei Jahre ermordet wurden. Praxedis liegt im Tal von Juarez direkt an der Grenze zu den USA und damit mitten in einem der am heftigsten umkämpften Korridore im mexikanischen Drogenkrieg. Im ganzen Land brachten Killer in den vergangenen vier Jahren rund 30 000 Menschen um, oftmals auf unvorstellbar grausame Weise. Auch vor Frauen und Kindern wird nicht mehr zurückgeschreckt. In Marisol Valles’ Zuständigkeitsbereich bekämpfen sich das Juarez-Kartell und das Sinaloa-Kartell bis aufs Blut, der Staat wird dazwischen aufgerieben. Vergangene Woche registrierte man acht Morde. In dieser Woche traf es einen Bürgermeister und seinen Sohn.

Marisol Valles meint nun: „Angst? Alle haben Angst, das ist völlig normal.“ Die Mutter eines Kleinkinds sieht ihre Aufgabe deshalb darin, dass am Ende „alle ein bisschen weniger Angst haben“. Bei ihrer Vorstellung betonte Valles zudem, dass sie nicht für den Drogenkrieg zuständig sei, sondern für die Verbrechensprävention und die Bewahrung der öffentlichen Ordnung: „Ich jage nicht die Bösen, das macht die Armee“, sagte sie, „ich will stattdessen die Guten bewegen, etwas zu tun.“ Ein Vorbild ist Valles jetzt schon: Drei weitere Frauen haben sich bereit erklärt, unter ihr zu arbeiten und Valles will nun neben einer Polizeieinheit für Frauen auch eine Fahrradpatrouille aufbauen. Außerdem bekennt sie sich zur Gewaltlosigkeit.

Ob das unbeschwerte Auftreten die zierliche Frau, die eine Intellektuellenbrille trägt und sich die Fingernägel pink färbt, schützt, kann allerdings bezweifelt werden. Die Drogenkartelle haben schon in der Vergangenheit wahllos Polizisten ermordet – einfach nur um ihre Macht zu demonstrieren und ihre Gegner das Fürchten zu lehren.

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