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Porträt Angelika Nussberger, EU-Menschenrechtsgericht: „Es gibt gesunde Kritik von außen“

Angelika Nußberger, Professorin für Völker- und Verfassungsrecht, wird Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Viel Arbeit wartet auf sie, denn die Europäer entdecken ihre Menschenrechte und die Klagemöglichkeiten.

Gelöste Stimmung, Gespräche, Gratulationen. Am Tag nach ihrer Wahl zur deutschen Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht es hoch her am Institut für Ostrecht der Universität Köln. Ein paar Monate noch, dann tritt Angelika Nußberger, Professorin für Völker- und Verfassungsrecht, ihren neuen Job in Straßburg an und wird dort auch wohnen – dazu verpflichtet sich jeder Kandidat, der sich von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats wählen lassen möchte. Verständlich, es wartet eine Aufgabe, die mehr als die ganze Frau erfordert. Seit Jahren wachsen die Berge in der großzügig bemessenen Poststelle des Gerichts. Die Europäer entdecken ihre Menschenrechte – und lernen, dass sie mit einer Klage mächtiger werden können als ihr eigener Staat.

47 Richter arbeiten in dem Straßburger Justizpalast, jeder Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention entsendet einen. Sie prüfen die Klagen, wählen aus. „120 000 Fälle warten darauf, abgearbeitet zu werden – eine Bewährungsprobe“, sagt Nußberger. Und es geht nicht allein darum, Fleißpunkte zu sammeln. Dass die Menschen in einer vernünftigen Zeitspanne ihr Recht bekommen, erwarte der Gerichtshof schließlich auch von der Justiz der Vertragsstaaten. Mit dieser hat sich Nußberger vor allem in Osteuropa gründlich befasst, insbesondere in Russland. Sie selbst spricht Russisch, Englisch und Französisch fließend. „Es ist nicht schlecht, eine gemeinsame Sprache zu haben“, sagt die Juristin. Vor allem Russland ist ein Dauerverklagter vor Gericht.

Auch die Bundesrepublik hat ihre Erfahrungen gemacht, Stichwort Sicherungsverwahrung oder zuletzt der „Folterfall“ Magnus Gäfgen. „Es gibt eine gesunde Kritik von außen“, sagt die 47-Jährige, der sich die Staaten und ihre Gerichte stellen müssten, auch das Bundesverfassungsgericht. Da muss man standhaft bleiben, meint die Professorin. „Alle Staaten rütteln an der Autorität des Gerichts. Aber ich bin zuversichtlich, dass es sich weiter durchsetzen wird“.

Der nächste Konflikt steht mit Italien an. Mittwoch verhandelt der EGMR über das Pflicht-Kruzifix an Schulen. „Religionsfreiheit wird eines der wichtigsten Themen für den Gerichtshof“, sagt Nußberger. Sie selbst, deutet sie an, verfolgt hier eine defensivere Linie. Bei Religionsfragen, sagt sie, müsse man viel Rücksicht auf die nationalen Kulturen nehmen. Richter am EGMR sind eben auch Diplomaten. Jost Müller-Neuhof

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