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Porträt Barbara Hendricks: „Politik kann keinen Träumen nachhängen“

Mit einem spektakulären Vorschlag füllt Staatssekretärin Barbara Hendricks das Sommerloch: Da den Parteien die zahlenden Mitglieder fernbleiben, soll der Staat die Parteienfinanzierung übernehmen.

Von Antje Sirleschtov

Wenn es noch eines Argumentes für die Delegierten des SPD-Parteitages im Oktober bedürfte, Barbara Hendricks zur Schatzmeisterin zu wählen und damit die finanzielle Zukunft der Partei zu stärken, dann hat die Kandidatin es jetzt selbst geliefert. Mitten ins Sommerloch hinein stellt Hendricks fest, dass Deutschlands Demokratie gefährdet ist. Und zwar nicht, weil es den politischen Parteien immer weniger gelingt, das Vertrauen der Bürger zu erlangen, sondern weil die Kassen der Parteien nicht mehr so voll sind wie vor 20 Jahren. Weil immer weniger Bürger zu zahlenden Parteimitgliedern werden, folgert die künftige Kassenchefin, müsse der Staat engagierter als bisher ins Boot springen. „Demokratie“, stellt Hendricks fest, „braucht Organisation, und Organisation braucht Geld“.

So einfach ist das: Wenn sich Bürger von den Parteien abwenden, weil sie ihnen nicht mehr zutrauen, die Probleme des Landes zu lösen, dann schaffen sich die Parteien eben selbst ihren Handlungsboden – sie nehmen sich das Geld für ihre Arbeit eben direkt aus der Staatskasse. Steuern sind ja bekanntlich nicht an konkrete Ausgaben gebunden, und wenn der Mitgliederschwund alle Parteien gleichermaßen erreicht, dann findet sich auch bald eine Koalition zur Ausweitung der staatlichen Parteienfinanzierung. So spricht die künftige Schatzmeisterin. Und – man muss es dazu sagen – so denkt eine Politikerin, die vor neun Jahren von Oskar Lafontaine zur Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium ernannt wurde und dort seither unter Hans Eichel und Peer Steinbrück die Geschicke der deutschen Finanzpolitik mitbestimmt.

Schon jetzt finanziert der Staat über Wahlkampferstattungen, Stiftungshilfen und vieles mehr einen beachtlichen Teil der Arbeit der Parteienlandschaft. Und was einstmals bewusst als System der Aufbauhilfe für die Demokratie geschaffen wurde und bis heute verhindert, dass Parteien in die völlige Abhängigkeit von ökonomischen Interessen geraten, ist in den vergangenen Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Hauptvorwurf: Es fehle an Transparenz. Die Bürger, die Wähler, vermuten schon jetzt eine Selbstbedienungsmentalität der Parteien am Staat und wenden sich auch deshalb von Politik ab. Noch mehr Staatsfinanzierung wird diesen Prozess nicht umkehren. Als langjährige Politikerin muss Barbara Hendricks das wissen. Auch wenn sie nie über ein direktes Mandat zur Abgeordneten geworden ist. Antje Sirleschtov

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