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PORTRÄT CHRISTIAN THIELEMANN DIRIGENT:: „Ich kann das nicht zulassen“

Der bekennende Konservative versenkt sich am liebsten in die Kernwerke des klassisch-romantischen Repertoires: Deshalb sind sie in München unzufrieden mit Christian Thielemann

Herbert von Karajan war sein Lehrer – und wurde sein Vorbild: Christian Thielemann hat sich immer als Kapellmeister der alten Schule gesehen, als dienender Künstler, der allabendlich zum Nachlassverwalter der großen Komponisten wird. Und der bestimmt, wo’s langgeht. „Autokratisch“ ist der Begriff, der einem zu seinem Führungsstil als Erstes einfällt.

Mit diesem Willen zur Allmacht ist der 50-jährige Berliner in der aktuellen Klassikszene ein Unzeitgemäßer. Karajans Zeiten kommen nicht wieder. Heute werden Maestri mit Teamgeist geschätzt, Künstler, die sich gemeinsam mit ihren Musikern weiterentwickeln wollen, die ihre Elfenbeintürme auch für jene Zuhörer öffnen, die nicht aus dem bildungsbürgerlichen Milieu kommen. Thielemann aber, der bekennende Konservative, hat wenig für moderne Vermittlungsarbeit übrig, versenkt sich lieber in die Kernwerke des klassisch-romantischen Repertoires. Für seinen Wagner, seinen Bruckner und Brahms wird er geliebt. Weil er aber sein Repertoire so schmal hält, haben die Münchner Philharmoniker, deren Chefdirigent Thielemann seit Herbst 2004 ist, in seinen zur Verlängerung anstehenden Vertrag eine Passage einfügen lassen, die dem Intendanten erlaubt, beim Engagement von Gastdirigenten für die nötige stilistische Vielfalt zu sorgen. Das aber widerspricht Thielemanns Weltbild fundamental: Das Letztentscheidungsrecht über die gespielten Stücke darf in seinen Augen ausschließlich der künstlerische Leiter haben. Also er.

Im Juli waren darum die Verhandlungen abgebrochen worden. Nach massiven Protesten pro Thielemann will die Stadt München jetzt erneut auf ihn zugehen. Gleichzeitig wird er heftig von der Dresdner Staatskapelle umworben, die mit ihrer Pflege des traditionellen „deutschen Klangs“ bestens zu Thielemanns ästhetischen Vorlieben passt.

Wenn der Dirigent klug ist, wählt er keine von beiden Optionen: Denn mit der absolutistischen Attitüde eines „l’orchestre, c’est moi“ lässt sich 2009 kein Kulturbetrieb mehr führen. Warum sollte er nicht als Spezialist durch die Welt jetten und sich bei den besten Orchestern für seine auratischen Interpretationen von Beethoven bis Pfitzner feiern lassen? Weil er so ungerne reist, weil er Hotelzimmer hasst. München ist eine liebenswerte Stadt. Heimisch wird er dort aber nur dann werden, wenn er bereit ist, die Teilung seiner Macht zuzulassen. Frederik Hanssen

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