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Porträt: Christoph Waltz, Schauspieler: "Ich halte mich schlecht aus"

Ein maliziöser Melancholiker: Christoph Waltz spielt durchgeknallte Psychiater, mutmaßliche Mörder oder wie in "Inglorious Basterds" einen superfreundlichen, supersadistischen SS-Schnüffler. Dafür bekam er jetzt in Cannes den Darstellerpreis.

Auf die Dauer sind Psychopathen fad, hat Christoph Waltz einmal gesagt. Und nannte Hans Moser als sein großes Schauspielervorbild. Typisch Waltz. Dem Mann ist einfach nicht über den Weg zu trauen. Jedenfalls nicht, wenn er vor der Kamera steht. Akkurater Seitenscheitel, kantige Konturen, freundliche Stimme mit sanftem Wiener Schmäh und perfidem Hintersinn, bedacht und bedrohlich, charmant und verschlagen, ein maliziöser Melancholiker, der seine Umwelt manipuliert: So hat er sie gespielt, seine Film- und Fernseh-Psychopathen, ob mutmaßliche Mörder (im TV-Thriller „Das Geheimnis im Wald“), durchgeknallte Psychiater (in „Herr Lehmann“) oder den Oetker-Entführer in „Tanz mit dem Teufel“, für den er 2001 den Grimme-Preis bekam. Sein jüngstes Monster mit Manieren, der polyglotte, superfreundliche, supersadistische SS-Schnüffler Landa in Tarantinos Weltkriegsgroteske „Inglorious Basterds“, hat ihm auf dem Filmfest Cannes nun den Darstellerpreis eingetragen.

Ironie des Erfolgs als Nazi: Christoph Waltz, 52, Sprössling einer traditionsreichen Theaterfamilie, wollte nach dem Max-Reinhardt- Seminar und dem New Yorker Actors Studio am liebsten in Amerika bleiben. Der legendäre Agent Paul Kohner warnte ihn jedoch. Als Österreicher in Hollywood werde er den Rest seines Lebens durch den Bildhintergrund rennen und „Heil Hitler!“ schreien. Also ging Waltz zurück nach Europa, begann in den Siebzigern am Theater, lebt heute in London, hat dort drei Kinder und mit seiner Berliner Lebensgefährtin ein viertes – die älteste Tochter ist 28, die jüngste 5.

Seit über 30 Jahren geht Christoph Waltz dem Beruf des Schauspielers nach – und hat neben all den stoischen oder labilen TV-Bösewichten auch mal Roy Black gespielt. Am Sonntagabend bedankte er sich bei Tarantino mit den Worten: „Du hast mir meine Berufung zurückgegeben.“ Wegen der Grenzüberschreitung, der Extremanforderung der Kinorolle. Gleichzeitig hat er bei allem Kunstanspruch nie bestritten, dass Schauspieler von „einer irren Sehnsucht nach Bedeutung“ getrieben sind. „Sonst würden sie nicht mit moralisch großartiger Pose einen unterbezahlten Krankenpfleger in der Dritten Welt spielen, sondern zum Beispiel in der Dritten Welt arbeiten“, bekannte er in einem Interview. Waltz, der Dialektiker, ausgestattet mit dem Witz der Selbsterkenntnis.

Als „Phantom des deutschen Films“ wird Waltz gern bezeichnet. Mit der öffentlichen Unscheinbarkeit ist es nach der Trophäe von Cannes aber erst mal vorbei. Christiane Peitz

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