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Porträt Dieter Graumann - Zentralrat der Juden: „Angela Merkels Besuch hat sehr gutgetan“

Der Streit um die religiöse Beschneidung hat viele Juden tief verletzt. Am Sonntag hat Angela Merkel an einer Versammlung des Zentralrats der Juden in Deutschland teilgenommen - um den deutschen Juden zu versichern: Ich stehe zu euch.

Eigentlich ist Dieter Graumann ein fröhlicher Mensch. Doch der Streit um die Beschneidung hat dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland zugesetzt. Im Juni hatte das Kölner Landgericht die Zirkumzision aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet. „Wir haben seitdem viele besessene Belehrungen, Verwunderungen und Verwundungen zuhauf erlebt. Vieles hat uns sehr verletzt“, sagte Graumann am Sonntag bei der jährlichen Ratsversammlung des Zentralrats in Frankfurt am Main.

Wie Balsam wirkte da am Sonntag der Besuch von Angela Merkel in Frankfurt. Noch nie zuvor hat ein deutscher Regierungschef an einer Sitzung des Gremiums teilgenommen. Merkels Visite hatte vor allem ein Ziel: den deutschen Juden zu versichern, dass sie zu ihnen steht. „Ich möchte, dass jüdische Bürger genauso unbeschwert hier leben wie andere Bürger auch“, sagte sie. Dazu gehöre, dass sie ihre Religion frei ausleben könnten. Am Donnerstag wurde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung im Parlament diskutiert, der die Beschneidung von Kindern erlaubt, vorausgesetzt, sie wird nach den Regeln der medizinischen Kunst durchgeführt. Merkel hofft, dass das Gesetz vor Weihnachten verabschiedet wird und dass das Thema dann vom Tisch ist.

Dass die Kanzlerin nach Frankfurt gekommen ist, deutet Graumann als Signal, „dass jüdisches Leben in Deutschland willkommen ist“. Das habe „sehr gutgetan“. Dass sich Merkel so sehr für die jüdische Gemeinschaft einsetzt – „auch dann, wenn es politisch schwierig war“ –, konnte Graumann nicht genug loben.

Merkel wies auch darauf hin, dass es „ein großes Maß an Antisemitismus gibt“. Hatten Graumanns Eltern also doch recht mit ihrer Skepsis gegenüber den Deutschen? Sie hatten ihrem Sohn den Namen David gegeben. Am Tag vor seiner Einschulung erklärten sie ihm, dass er ab jetzt Dieter heiße – um nicht aufzufallen. Sich wegzuducken, war für Dieter Graumann aber kein Weg. An der Seite von Ignatz Bubis demonstrierte er in den 80ern gegen die Aufführung des Fassbinder-Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“. Als Zentralratschef will der 62-jährige Frankfurter Geschäftsmann das Judentum herausführen aus der „Mecker-Ecke“. Zeigen, dass jüdisches Leben fröhlich und vielfältig ist. Die Aufgabe habe er bisher nicht so ganz erfüllt, sagt Graumann. Daran will er weiter arbeiten. Den Optimismus lässt er sich nicht nehmen: „Jetzt erst recht.“ Claudia Keller

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