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Porträt: "Einmal Jäger, immer Jäger"

Wolfgang Schaupensteiner arbeitet bei der Bahn als oberster Korruptionsfahnder. Jetzt muss er das Unternehmen gegen schwere Vorwürfe verteidigen.

Er gehörte zu den Guten, jahrzehntelang. Er war einer der prominentesten Staatsanwälte im Land. Er kämpfte gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität – Übel, die Unternehmen und Steuerzahler jedes Jahr Milliarden kosten. Nun arbeitet Wolfgang Schaupensteiner, 60, bei der Deutschen Bahn als „Chief Compliance Officer“, als oberster Korruptionsfahnder. Und in dieser Rolle muss er jetzt das Unternehmen gegen den Vorwurf verteidigen, die Bahn habe Hunderte ihrer eigenen Manager gesetzwidrig ausspioniert. Ausgerechnet die Bahn, die vielen ohnehin als unsympathisch gilt – und jetzt auch noch als allzu informationshungrig.

Dabei fühlt sich Schaupensteiner im Recht. Es sei die Pflicht der Bahn, wichtige Manager darauf hin zu überprüfen, ob sie das Unternehmen schädigen. Immerhin lässt der Staatskonzern pro Jahr für 20 Milliarden Euro Leistungen von seinen Leuten einkaufen, da sind die Verlockungen groß. Dass seine Fahnder aber bei der Suche nach Übeltätern gegen Gesetze verstoßen hätten, dafür gebe es keine Hinweise, wiegelt der Jurist ab. Vergleiche mit der schnüffelnden Telekom seien ohnehin „völlig abwegig“.

Für Schaupensteiner ist es neu, in der Defensive zu stehen. Bei der Justiz in Frankfurt am Main deckte er zahlreiche Fälle von Bestechung und Gefälligkeiten auf, bei der Stadt, bei der Messe, beim Flughafgen oder beim Hessischen Rundfunk und dessen Ex-Sportchef Jürgen Emig. „Käuflichkeit ist so weit verbreitet wie Verstöße gegen die Verkehrsregeln“, pflegte er zu sagen. Und er wurde gehört, vor allem in den Medien. In den 90er Jahren, als die Gesellschaft das Thema Korruption entdeckte, wurde er zum gefragten Experten in Interviews und Talkshows. Bestechungskriminalität sei eine „Wachstumsbranche“, befand er wie ein Mantra, aber 95 Prozent der Fälle decke die Justiz gar nicht auf.

Doch seine Chefs in Hessen wollten davon nicht viel wissen, sie verweigerten ihm mehr Kompetenzen oder mehr Mitarbeiter für den Kampf gegen Kriminelle. Da kam 2007 der Anruf aus dem Bahn-Tower gerade recht, Hartmut Mehdorn suchte einen bekannten Namen für die Aufgabe.

Seitdem wirkt Schaupensteiner, der gebürtige Hesse, bei der Bahn. Von den allzu rigiden Methoden, die internen Ermittlern lange nachgesagt wurden, nahm er Abstand. Daher ist es wohl kein Zufall, dass der Streit um die Mitarbeiterdaten nur Fälle bis 2007 betrifft – dem Jahr, in dem Schaupensteiner zur Bahn kam. Carsten Brönstrup

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