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Porträt: „Europa liegt mir am Herzen“

Die Europäische Zentralbank ist durch die Euro-Krise in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und damit auch die Stellenbesetzungen im Direktorium. Die EU-Staaten wünschen sich den Luxemburger Yves Mersch - doch der ist leider ein Mann.

Europäischer geht es kaum: Yves Mersch ist der Großneffe des europäischen Gründungsvaters Robert Schuman. Sein Vater bekämpfte in der Résistance die Besatzer aus Deutschland, das er später seinen Kindern als bfreundetes Land vorstellen konnte: „Die europäische Einigung liegt mir so sehr am Herzen, weil sie so eng mit meiner Familiengeschichte verbunden ist“, hat der Luxemburger bei seiner Anhörung gesagt.

Die EU-Staaten haben ihn für den vakanten Posten im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) nominiert – in Euro-Krisenzeiten eines der mächtigsten Ämter. Und am heutigen Donnerstag stimmt das Europaparlament darüber ab, ob es den Mann mit dem sozialdemokratischen Parteibuch für geeignet hält. Die Betonung liegt auf Mann, denn am Montag empfahlen die Abgeordneten des Wirtschaftssausschusses, Mersch abzulehnen, weil die Staats- und Regierungschefs keine Frau für den Posten in Erwägung gezogen zu haben. Normalerweise folgt die große Runde den eigenen Fachleuten, aber eben nicht zwingenderweise. Yves Mersch muss also zittern – weniger darum, ob er den Posten überhaupt bekommt, weil das Europaparlament seine Nominierung nicht blockieren kann, mehr deshalb, ob er ganz ohne demokratische Legitimation in das Sechsergremium einzieht.

Mersch hat in den vergangenen Tagen schon von „wir“ gesprochen, wenn er auf die Politik der EZB angesprochen wurde. Schließlich gehört er als Luxemburger Notenbankchef, der Mersch seit 1998 vorsteht, zu den Gründungsmitgliedern im Rat der Zentralbank in Frankfurt. Mersch hat zudem bei der Ausarbeitung des Maastrichter Vertrages mitgewirkt und den Euro gewissermaßen miterfunden. Seine währungspolitischen Ansichten, die an der Pariser Sorbonne sowie während eines zweijährigen Arbeitsaufenthalts beim IWF in Washington geprägt wurden, gelten als denen der Bundesbank nahestehend.

In Luxemburg hat sich Mersch, der seit Jahren einer der Berater von Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker ist, mit seinen ordnungspolitisch teils sehr strengen Ansichten nicht nur Freunde gemacht. Trotzdem wird er dort lautstark verteidigt. Vielerorts ist zu hören, dass die Parlamentarier bei einem Kandidaten aus einem größeren Mitgliedstaat keinen Affront dieser Art gewagt hätten. Der 63-jährige Mersch zumindest versucht, das Ganze sportlich zu sehen. Die Fragen berührten ja „nicht meine Person“.

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