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PORTRÄT: FATMA KURTULAN: "Ein Friedhof verbotener Parteien"

Dass der Alltag für eine kurdische Abgeordnete im türkischen Parlament nicht einfach sein würde, mag sich Fatma Kurtulan gedacht haben. Dass sie nach kaum vier Monaten als Volksvertreterin schon als Rebellenbraut und Terroristin an den Pranger gestellt wird, hat sie wohl kaum erwartet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 43-Jährige, andere Parteien fordern die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität – und Kurtulans Partei, die legale Kurdenpartei DTP, geht einem Verbot entgegen.

Dabei war Kurtulan bis vor einigen Wochen noch relativ unbekannt in Ankara. Doch dann fuhr sie mit zwei DTP-Kollegen in den Nordirak, um die Freilassung von acht türkischen Soldaten aus der Gefangenschaft der PKK zu erreichen. Die Aktion zahlte sich weder für Kurtulan noch für die Befreiten aus. Den Soldaten wird vorgeworfen, sich freiwillig in die Gefangenschaft der PKK begeben zu haben. Und Kurtulan sieht sich einer landesweiten Hetzkampagne von Medien und Politikern ausgesetzt.

Zuerst kam ans Tageslicht, dass Kurtulans Ehemann Salman ein prominentes Mitglied der PKK ist. Fatma Kurtulan sagt, sie habe keine Verbindung zu ihrem Mann, doch in der Öffentlichkeit stand sie damit schon als halbe Terroristin da. Noch schlimmer wirkte sich ein Foto aus, das kurz darauf in den Zeitungen auftauchte. Das unscharfe Bild zeigt eine Frau in einem olivefarbenen Tarnanzug und mit einer tarnfarbenen Schirmmütze auf dem Kopf – auf der Aufnahme aus den neunziger Jahren sei Fatma Kurtulan in einem PKK-Ausbildungslager zu sehen, hieß es in den Bildunterschriften. Alles Lüge, sagt Kurtulan, die einen Wahlkreis im südosttürkischen Van im Parlament vertritt.

Die jüngsten Angriffe der PKK auf türkischem Boden und der Tod von mehreren Dutzend Soldaten bei Gefechten in den vergangenen Wochen hat in großen Teilen der türkischen Gesellschaft eine antikurdische Hysterie ausgelöst. Bei Demonstrationen wurden Geschäfte kurdischer Unternehmer geplündert. Da sich die DTP weigert, die PKK als Terrorgruppe zu bezeichnen und sich eindeutig von den Rebellen zu distanzieren, wird die Partei als PKK-Handlangerin im Parlament gesehen. Dagegen spricht die DTP von einer Hexenjagd, die nun mit dem Verbotsverfahren einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. „Die Türkei wird zu einem Friedhof politischer Parteien“, sagt DTP-Chef Nurettin Demirtas. Thomas Seibert

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