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PORTRÄT GORDON BROWN BRITISCHER PREMIER:: „Ich fühle mich wie der Maler Tizian“

Zuhörer waren verblüfft, als sich der britische Premier Gordon Brown mit dem Renaissancemaler Tizian verglich. Hochbetagt, mit 90 Jahren, hatte Tizian gesagt, endlich fange er an zu lernen, wie man malt. „Das ist, wo wir jetzt stehen“, meinte Brown, den bisher die Aura eines Wirtschaftsmagiers umgab.

Zuhörer waren verblüfft, als sich der britische Premier Gordon Brown mit dem Renaissancemaler Tizian verglich. Hochbetagt, mit 90 Jahren, hatte Tizian gesagt, endlich fange er an zu lernen, wie man malt. „Das ist, wo wir jetzt stehen“, meinte Brown, den bisher die Aura eines Wirtschaftsmagiers umgab.

Im September, als seine eigene Partei ihn schon abgeschrieben hatte, rettete ihn die Wirtschaftskrise noch einmal. „Dies ist nicht die Zeit für Lehrlinge“, erklärte Brown damals. Mochten ihm Entscheidungsfreude und Charme fehlen, an seiner Wirtschaftskompetenz war nicht zu rütteln. Elf Jahre lang war er der mächtigste Schatzkanzler, den Großbritannien je hatte. Er war berühmt dafür, dass er dem Land mit endlosen Erfolgsstatistiken und immer neuem Geldsegen das Gefühl von Reichtum und Wohlstand vermittelte. „Wir können es uns leisten“, sagte er, wenn das Haushaltsdefizit Jahr um Jahr höher ausfiel.

Als er im Juni 2007 als Premier in die Nummer 10 Downing Street einzog, konnte er sich als neuer Wein im alten Schlauch präsentieren. Niemand wusste schließlich, wer Brown wirklich war. Die Gewerkschaften sahen in ihm den Weg in eine neue Ära sozialer Gerechtigkeit; das Londoner Bankenviertel sah ihn als Schutzpatron für die Hauptstadt der Globalisierung.

Nun wird Brown an seiner Vergangenheit, manche sagen seiner Hybris, gemessen. Der Internationale Währungsfonds sagt Großbritannien einen Wirtschaftseinbruch von 2,8 Prozent voraus – schlimmer als bei den meisten anderen Ländern. Hatte Brown nicht behauptet, Großbritannien sei besser platziert als alle anderen? Labour habe den Zyklus von „Boom und Bust“, den Wechsel von überhitzter Hochkonjunktur und Wirtschaftseinbruch, abgeschafft, hatte Brown erklärt. Aber die Briten sehen die Rezession und wissen, dass acht Prozent Defizit keine Grundlage für eine schnelle Wirtschaftserholung sind.

Brown holt die Kluft zwischen der Realität der Wirtschaftskrise und seiner Rhetorik aus 12 Jahren ein. Nur ein genialer Politiker – ein Tony Blair etwa – könnte sich mit einem Sprung über diese Glaubwürdigkeitslücke hinwegsetzen. Wollte Brown mit seiner Tizian-Bemerkung zu einem solchen Sprung ansetzen? Für das Eingeständnis von Fehlern ist es aber wohl zu spät: Wettbüros nehmen keine Wetten mehr auf einen Tory-Sieg an. Nur noch darauf, ob Brown bis zum letztmöglichen Wahltermin im Juni 2010 durchhält. Matthias Thibaut

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