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PORTRÄT: „Ich war nur ein Fußsoldat“

Michael Spicer saß 36 Jahre im britischen Unterhaus. Er war nur Hinterbänkler - und bekam doch vieles über Margaret Thatcher aus der Nähe mit. Jetzt hat er seine Memoiren veröffentlicht

Der Blick aus der Froschperspektive auf die Ereignisse der Zeit ist oft der beste. „Wenn man im Zentrum steht, sieht man die Dinge nicht so klar. Wenn man draußen vor ist, erst recht nicht.“ So spricht Michael Spicer, 69 Jahre, davon 36 Jahre lang Mitglied des britischen Unterhauses. Trotz erklärten politischen Ehrgeizes kam er über die Position eines Staatssekretärs nie hinaus. Seine Laufbahn als Hinterbänkler war so entspannt, dass er acht Bücher schrieb, die meisten vergriffen, auch die Mord- und Liebesgeschichten aus den Cotswolds, der Landschaft westlich von Oxford.

Doch nun sorgen die „Spicer Diaries“ mit Klatsch und Tratsch aus drei Tory-Jahrzehnten für Aufsehen wie lange kein Memoirenband mehr. Margaret Thatcher sei eine Figur wie Elizabeth I., erinnert sich Spicer: „Wie alle großen Personen war sie ziemlich abgehoben.“ Spicer war dabei, als Thatcher feststellte, dass ihr Haarspray im Ausland hergestellt wurde. „Ich möchte nur englisches Spray in meinem Haar“, zischte sie.

„Ich glaube nicht, dass die Premierministerin überleben kann“, notierte Spicer am 4. April 1982, zwei Tage nach Argentiniens Falkland-Invasion. „Wenn wir nicht angreifen, wird ihre Position unhaltbar. Wenn wir es tun, gibt es Opfer und die öffentliche Meinung dreht sich gegen uns“. Nach dem Sieg, beim Pferderennen in Cheltenham, sagte Thatcher: „Vergesst die Kunst des Möglichen. Wir wollen das Unmögliche.“

Spicer stand Thatcher auch bei ihrem Sturz zur Seite. „Man lässt seinen Kommandeur nicht im Stich“, erklärte der Sohn eines Armeeoffiziers und bezeichnet sich als „Thatchers Infanterist“. Dann machte er als Anführer der „Maastricht-Rebellion“ Premier John Major das Leben schwer, eine „brutale Zeit“, in der sich die Tories im Unterhaus anspuckten. Aber „die Schlacht hat sich gelohnt“, freut sich Spicer heute, „sie hat verhindert, dass wir dem Euro beitraten“. Als David Cameron ihm einen Oberhaussitz anbot, sagte Spicer begeistert zu.

Am meisten Aufsehen machte die Enthüllung, Frau Thatcher habe Jahre nach ihrem Sturz bereut, in die Politik gegangen zu sein, „wegen dem, was es deiner Familie zufügt“. Für britische Zeitungen war das ein „Schockbekenntnis“. Den einen bewies es Thatchers Abgehobenheit, wo ihre Politik „Tausende von Familien“ zerstört habe. Für die anderen war es ein Zeichen unerwarteter Schwäche der großen Parteiheldin. Matthias Thibaut

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