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Grass

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PORTRÄT: "Im Internet soll ja einiges los sein"

Günter Grass ist Schriftsteller und SPD-Freund. Die Enthüllung seiner SS-Mitgliedschaft schlug weltweit Wellen. Doch dieses Kapitel scheint überwunden. Nun will sich der 81-Jährige in den Wahlkampf einschalten - und nicht nur das.

Neulich klang Günter Grass nicht gerade hochmotiviert, sondern eher wie der, der halt immer den Dreck wegmachen muss. „Ich jedenfalls werde mich in diesen beschissenen Wahlkampf einschalten“, drohte er anlässlich einer Lesung in Berlin, und der weltberühmte Schnauzbart bebte wie stets, wenn der 81-jährige Nobelpreisträger dem Raubtierkapitalismus seine Blitze entgegenschleudert. Seit Montagabend ist es etwas konkreter: Er werde am Bundestagswahlkampf teilnehmen, sagte er in der SPD-Zentrale, „vor allem in Ostdeutschland, aber nicht mehr an 180 Veranstaltungen wie vor 40 Jahren“.

Eine Überraschung ist das nicht, denn Grass hatte sich erst 2007 in Hamburg für den sozialdemokratischen Bürgermeisterkandidaten Michael Naumann stark gemacht. Dem half das wenig, vermutlich deshalb, weil Grass zwar vielen immer noch als erstes moralisches Gewissen der Republik gilt, aber das hohe Ross nicht mehr ganz so glaubhaft aufzäumen kann, seit die Enthüllung seiner SS-Mitgliedschaft weltweit Wellen schlug.

Doch dieses Kapitel scheint überwunden, denn der Kapitalismus ist größer und wichtiger, er windet sich auch ohne Grass’ Zutun am Boden und ist ein angenehmer Gegner für all jene, die es schon immer gewusst haben. Persönlich verantwortlich macht der Schriftsteller Guido Westerwelle; den FDP-Chef als Außenminister zu verhindern, ist offenbar eines seiner vordringlichen Wahlkampfziele.

Allerdings schlägt sein Herz kräftiger für den linken SPD-Flügel als für den pragmatischen Kandidaten Steinmeier, der ihm als Mitverantwortlicher für Agenda 2010 und Hartz IV politisch verdächtig sein muss. Noch heute bezieht sich Grass ausdrücklich auf Willy Brandt und Herbert Wehner und überschweigt Helmut Schmidt; sein Erwartungsprofil passt in nahezu jeder Frage nahtlos zu den Positionen der Parteilinken um Andrea Nahles. Und er bleibt bei der Kritik an der sozialdemokratischen Asylpolitik, die ihn 1992 zum Austritt bewog: „Erst, wenn das in Ordnung gebracht ist, trete ich wieder ein.“

Doch es gibt für Grass noch viel mehr in Ordnung zu bringen. Sein Lieblingsthema ist die innerdeutsche Befindlichkeit, sind jene Punkte, die er für Kardinalfehler des Einigungsprozesses hält. Unmodern mag er trotzdem nicht genannt werden, denn er hat für die SPD-Wahlkämpfer einen zeitgemäßen Tipp parat: „Ich beherrsche das Internet nicht, aber da soll ja einiges los sein.“ Bernd Matthies

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