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PORTRÄT: Jörg Pilawa: „Es gibt im Fernsehen nichts Neues mehr“

Jörg Pilawa wechselt innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems, vom Ersten ins Zweite. Der Moderator muss nicht wirklich fürchten, dass das Publikum ihn nicht mehr liebt.

Sehr wahrscheinlich ist das die längste Trennung in der neueren deutschen Fernsehgeschichte. Seit vielen Monaten steht fest, dass Jörg Pilawa die ARD verlässt. Aber das Erste kann schwer nur von seinem Quotengaranten lassen und zieht eine (aufgezeichnete) Sendung nach der anderen aus dem Regal. Erst am 31. August ist definitiv Schluss in dieser Zweierbeziehung. Ein letztes Mal wird „Das Quiz mit Jörg Pilawa“ über den ARD-Schirm laufen, wenige Tage später beginnt der Moderator sein neues Fernsehleben: Er wird sich dem ZDF-Publikum zunächst als Talker am Spätabend vorstellen, große Shows sollen folgen.

Vor dem Wechsel hat der Hamburger neun Monate Urlaub eingebaut, eine Insel vor Kanadas Küste gekauft. Jörg Pilawa rüstet sich selber ab. Über neun Jahre war er der Quiz-Onkel der ARD mit eigener Produktionsfirma (die er mittlerweile verkauft hat), als Moderator von mehr als 2000 Sendungen derart präsent im Ersten, dass das Etikett von „Jörg Überall“ nicht auf sich warten ließ. Sein Resümee, „es gibt im Fernsehen nichts Neues mehr“, klang nach Erschöpfung an sich selbst. Mit dem ZDF soll die Entschleunigung kommen, weniger Sendungen, weniger Auftritte, weniger selbst Produziertes. Ein bisschen Risiko ist schon dabei, Johannes B. Kerner war mit lautem Tätä vom Zweiten zum Privatsender Sat 1 gegangen und musste ernüchtert feststellen, dass das Publikum nicht mitgegangen ist.

Pilawa ist vorsichtiger, er wechselt innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems, die Zuschauer von Erstem und Zweitem gleichen sich mehr als jene von ZDF und Sat 1. Der Moderator muss nicht wirklich fürchten, dass das Publikum ihn nicht mehr liebt, ihn, den skandalfreien Familienmenschen, der mit seiner Frau die drei Kinder im christlichen Wertesystem erzieht, Klimaschutz predigt und lebt, als „Bildungsbotschafter“ arbeitet. Netter kann der Mitmensch vom Fernsehen nicht sein.

Herzblatt-Show, „Frag doch mal die Maus“, Pisa-Test, stets moderierte Pilawa so souverän wie überraschungsfrei. Vielleicht ist es auch nur Distanz zum eigenen Tun und Lassen, dass Jörg Pilawa hinter seinem Produkt „Jörg Pilawa“ fast verschwinden konnte, kann und können wird. Mit Fleiß und Fortüne hat der abgebrochene Medizinstudent dem Medium Formate und sich selbst ein Format gegeben. Jede Fernsehgeneration hat einen derartigen „Charming Boy“. Zwei Gesten, ein Lächeln, gute Manieren, Casual Outfit, den Zuschauern ein Wohlgefühl. Joachim Huber

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