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Porträt Juri Luschkow: "Alles erstunken und erlogen"

Der umstrittene Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow steht unter Druck. Noch schützt ihn Premier Wladimir Putin. Doch die Causa Luschkow wird zur Kraftprobe von Präsident Dmitri Medwedew mit Putin.

Angriff ist auch aus Sicht von Juri Luschkow die beste Verteidigung. Denn in den vergangenen Tagen hatten sich gleich mehrere staatliche TV-Kanäle zur besten Sendezeit mit Dokumentationen über Moskaus 73-jähriges Stadtväterchen und dessen Ehefrau Jelena Baturina hergemacht. Sie ist mit einem geschätzten Vermögen von drei Milliarden Dollar Russlands reichste Frau. Der Grund: Ihr gehört der Bau- und Immobilienkonzern Inteco und dem soll Luschkow, der seit 1992 im Moskauer Rathaus Hof hält, die lukrativsten Aufträge beim Umbau der Hauptstadt zu einer Weltmetropole zugeschanzt haben.

Zwar hatten sich in der Vergangenheit schon mehrere Medien kritisch mit derartigen Praktiken auseinandergesetzt. Doch die knickten ein, als Luschkow und Baturina mit dem Kadi drohten. Beide haben gegen die Medien schon zahllose Prozesse wegen „negativer Berichterstattung“ sowie „Verletzung von Ehre und Würde“ geführt und bisher nicht einen verloren. Dienstwohnungen, -wagen und -datschen, aus dem Etat der Hauptstadt bezahlt, halten die Unabhängigkeit der Richter in Grenzen.

Voller Spannung verfolgt die hiesige Öffentlichkeit daher Justitias Umgang mit der neuesten Klage, die das Paar am Montag einreichte. Auch, weil Luschkow im Kreml bereits seit längerem nicht mehr wohl gelitten ist. Vorwürfe, er habe in den 18 Jahren Amtszeit Staus und Verkehrschaos nicht in den Griff bekommen, sind mehr als berechtigt, aber nur die Spitze des Eisbergs. Erstmalig wurde über Luschkows baldige Entlassung vor mehr als einem Jahr spekuliert, als der Staatssender RTR sich dessen Busenfreund vorknöpfte: Telman Ismailow. Er hielt die Mehrheit am Tscherkison – dem größten Markt Osteuropas, wo Zoll und Polizei im Sommer 2009 bandenmäßig organisierten Schmuggel von Billigimporten aus Südostasien in Milliardenhöhe und Sklavenarbeit illegaler Immigranten aus Zentralasien aufgedeckten. Damals stellte sich noch Premier Wladimir Putin schützend vor Luschkow. Ebenso nach den Wald- und Torfbränden in diesem Sommer, als die Moskowiter in Rauch und Smog erstickten. Luschkow genoss derweil die frische Höhenluft Tirols und brach seinen Urlaub erst nach harscher Kritik von Präsident Dmitri Medwedew ab. Die Causa Luschkow gilt daher auch als Kraftprobe zwischen ihm und Putin. Der Ausgang dürfte auch darüber entscheiden, wer von beiden bei den Präsidentenwahlen 2012 ins Rennen geht. Elke Windisch

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