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PORTRÄT LIU XIA FOTOGRAFIN UNTER HAUSARREST:: „Erzählt allen, dass ich nicht frei bin“

Anfang Juni hat Liu Xia dem neuen chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping einen offenen Brief geschrieben. Seit mehr als drei Jahren steht die Frau des in China inhaftierten Friedensnobelpreisträgers unter Hausarrest, ihr Haus wird von Sicherheitskräften bewacht, nur selten darf sie ihre Pekinger Wohnung verlassen.

Anfang Juni hat Liu Xia dem neuen chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping einen offenen Brief geschrieben. Seit mehr als drei Jahren steht die Frau des in China inhaftierten Friedensnobelpreisträgers unter Hausarrest, ihr Haus wird von Sicherheitskräften bewacht, nur selten darf sie ihre Pekinger Wohnung verlassen. „Niemand hat mir einen Grund für meinen Arrest genannt“, schreibt sie, „vielleicht ist es in diesem Land ein Verbrechen, die Frau von Liu Xiaobo zu sein.“ Am Freitag hat sich gezeigt, dass es in China offenbar auch ein Verbrechen ist, Liu Xiaobos Schwager zu sein.

Ein Pekinger Berufungsgericht hat das harte Urteil gegen Liu Xias Bruder Liu Hui aufrechterhalten. Elf Jahre Haft und zwei weitere Jahre politische Bewährung hatte er erhalten, weil er einen Bauunternehmer um umgerechnet rund 365 000 Euro betrogen haben soll. Es ist wohl nicht zufällig das gleiche Strafmaß, das auch sein Schwager, der Menschenrechtsaktivist Liu Xiaobo, wegen „Aufruf zum Umsturz“ erhalten hat. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, kritisierte das Urteil gegen Liu Xias Bruder als Sippenhaft: Es stelle die Rechtsstaatlichkeit in China leider erneut infrage. Zumal auch keine ausländischen Beobachter im Gerichtssaal zugelassen waren.

Auch Liu Xia fehlte im Gerichtssaal. Sie fühle sich schwach, ließ ihr zweiter Bruder ausrichten. Während des ersten Prozesses gegen ihren ersten Bruder hatte sie erstmals seit zwei Jahren in der Öffentlichkeit auftreten dürfen. „Erzählt allen, dass ich nicht frei bin“, rief sie einem Diplomaten zu, ehe sie von Sicherheitskräften weggefahren wurde. Nach der Verkündung des absurd hohen Urteils brach sie in Tränen aus. „Vielleicht ist dieses Land verrückt geworden, oder sie hassen uns so sehr“, sagte die 54 Jahre alte Fotografin schluchzend.

Das nun bestätigte Urteil unterstreicht die rigide Linie der Regierung gegen Menschenrechtsaktivisten. Am Wochenende verhaftete die Polizei den Dissidenten Yang Maodong. Und es zeigt die Taktik der Behörden, Dissidenten wegen angeblicher Steuerhinterziehung (Ai Weiwei) oder Wirtschaftsvergehen zu verurteilen. Auch war Liu Xias Bruder seit September eigentlich auf Kaution in Freiheit. Doch dann gelang es Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die Absperrungen zu überwinden und Liu Xia verbotenerweise in ihrem Hausarrest zu besuchen. Prompt fand sich ihr Bruder erneut im Gefängnis wieder. Benedikt Voigt

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