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PORTRÄT LOBSANG SANGAY REGIERUNGSCHEF DER TIBETER:: „Ich schulde einer Kuh eine Menge“

Fast 61 Jahre war der 14. Dalai Lama in einer Person weltlicher und geistlicher Führer der Tibeter.

Fast 61 Jahre war der 14. Dalai Lama in einer Person weltlicher und geistlicher Führer der Tibeter. Diese Ära ist nun zu Ende. Am Montag trat der Harvard-Jurist Lobsang Sangay sein politisches Erbe an und übernahm offiziell die Amtsgeschäfte. Um Punkt 9 Uhr 09 wurde der 43-Jährige in der nordindischen Himalaya-Stadt Dharamsala als neuer Regierungschef der Exil-Tibeter eingeschworen – die Zahl 9 soll laut chinesischer Astrologie Glück bringen. Zum Abschluss der Zeremonie umarmte und segnete der Dalai Lama seinen Nachfolger; der 76-Jährige will sich künftig auf seine Rolle als religiöses Oberhaupt der Tibeter zurückziehen.

Ganz freiwillig kam die Revolution nicht. Seit 400 Jahren herrschten Mönche über die Tibeter. Und der Dalai Lama musste seinem Volk die Demokratie nun geradezu aufzwingen. Viele Tibeter sehen Tendzin Gyatsho, dem sie nach der chinesischen Invasion 1959 ins Exil folgten, weiter als unumstrittene Autorität an. Zumal niemand der Sache Tibets weltweit so viel Gehör und Sympathie verschaffte wie der Mönch mit dem glucksenden Lachen. Doch der Dalai Lama will die Weichen für die Zukunft stellen: Um ein Machtvakuum nach seinem Tod zu vermeiden, bestand er darauf, weltliche und religiöse Macht zu trennen.

Die Exil-Tibeter hatten den mehrsprachigen, hochgebildeten und ambitionierten Sangay im April zum neuen Regierungschef gewählt. Wie viele junge Exil-Tibeter hat Sangay seine Heimat nie gesehen. Er wurde in Indien geboren und stammt aus armen Verhältnissen. Seine Eltern mussten eine ihrer drei Kühe verkaufen, um sein Schulgeld zu bezahlen. „Ich schulde einer Kuh eine Menge“, sagte er der BBC. Seit 1995 lebte er in den USA, bevor er nun nach Dharamsala umzog, wo die tibetische Exilregierung ihren Sitz hat. „Ich verspreche, die (Widerstands-)Bewegung aufrechtzuerhalten, bis in Tibet die Freiheit wiederhergestellt ist“, sagte er in seiner Antrittsrede.

Sangay muss riesige Schuhe füllen, meint der indische Analyst Mohan Guruswamy. Er muss verhindern, dass die tibetische Bewegung untergeht. Zugleich muss er gute Beziehungen mit der indischen Regierung aufbauen, die mit Misstrauen beobachten wird, ob er einer amerikanischen Agenda folgt. Von den knapp sechs Millionen Tibetern leben 140 000 weltweit im Exil, davon mehr als 100 000 in Indien, rund 20 000 Tibeter haben sich im benachbarten Nepal niedergelassen. Christine Möllhoff

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