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PORTRÄT: Michail Wojtenko: „Außerhalb Russlands fühle ich mich sicher“

Der russische Schifffahrtsexperte Michail Wojtenko hat das Drama um den angeblich von Piraten gekaperten Frachter „Arctic Sea“ von Anfang an kritisch begleitet. Nun ist der frühere Seemann selbst Teil der geheimnisvollen Geschichte um das Schiff geworden.

Sein Name stand in vielen westlichen Zeitungen, er war ein gefragter Gesprächspartner, und er wagte sich weit vor: Der russische Schifffahrtsexperte Michail Wojtenko hat das Drama um den angeblich von Piraten gekaperten Frachter „Arctic Sea“ von Anfang an kritisch begleitet. Der Chefredakteur des online erscheinenden Seeinformationsdienstes der Firma Sowfracht, der sich als Anwalt der Besatzung verstand, hatte die Geschichte vom Verschwinden des Schiffes überhaupt erst publik gemacht. Er veröffentlichte außerdem einen offenen Brief, in dem die Ehefrauen der Seeleute den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew aufforderten, das Schiff zu suchen und die Besatzung zu retten. Wojtenko war wohl auch der Erste, der den Verdacht aussprach, dass sich auf dem Frachter nicht nur Holz befand, sondern Waffen. Tag für Tag stellte er kritische Fragen und bezweifelte die offiziell verbreiteten Erklärungen. Er deutete an, bei dem vermuteten Waffenhandel könne es sich um private Geschäfte von Staatsbediensteten handeln.

Nun ist der frühere Seemann selbst Teil der geheimnisvollen Geschichte um die „Arctic Sea“ geworden. Am Mittwoch verließ er Hals über Kopf das Land, nachdem ihm dies in einem Drohanruf nahegelegt worden war. Der Anrufer habe gesagt, dass Wojtenko sich mit der Veröffentlichung der Geschichte gewissen Leuten in den Weg gestellt habe, die nun „sehr unzufrieden“ mit ihm seien – das berichtete der Experte nach Angaben russischer Medien. Zugleich machte der Anrufer klar, dass Wojtenko festgenommen werde, falls er bliebe. Dies würde einen „neuen Skandal“ geben, den man nicht gebrauchen könne. Der Experte vermutet, dass staatliche Stellen – möglicherweise der Geheimdienst FSB – hinter dem Anruf stehen. Man habe ihm gesagt, ihm blieben nur noch Stunden. „Ich nahm ein Ticket für den ersten Flug und flog nach Istanbul“, berichtete Wojtenko.

Nicht gerade einfacher wird die Geschichte dadurch, dass Wojtenkos Arbeitgeber Sowfracht diese Version bestreitet: Er sei auf Dienstreise in die Türkei geschickt worden, erklärte das Unternehmen. Wenig später trat Wojtenko als Chefredakteur zurück. Die Entscheidung stehe „in Zusammenhang mit widersprüchlichen Aussagen über sein geheimnisvolles ‚Verschwinden“, wie Sowfracht mitteilte. Außerdem zitierte ihn sein Ex-Arbeitgeber mit den Worten, er „habe es satt, alle zu belügen“. Wojtenkos Webseite war übrigens am Freitag wie schon zuvor nicht erreichbar.Claudia von Salzen

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