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PORTRÄT: Misstöne in der Ostermesse

„Das Volk Gottes wird sich nicht von dem unbedeutenden Geschwätz des Augenblicks beeinflussen lassen“, sagte Angelo Sodano am vergangenen Sonntag zu Papst Benedikt XVI - und löste bei Missbrauchsopfern Empörung aus.

Wieder war es eine Ostermesse, bei der Angelo Sodano im Mittelpunkt stand. „Heiliger Vater, das Volk Gottes ist mit dir und wird sich nicht von dem unbedeutenden Geschwätz des Augenblicks beeinflussen lassen“, sagte der Dekan des Kardinalskollegiums, als am vergangenen Sonntag die Fernsehkameras auf den römischen Petersplatz gerichtet waren. Entgegen allen Vorgaben des Zeremoniells hatte Sodano das Wort ergriffen, um zu Beginn der Messfeier Papst Benedikt XVI. im deutschen Missbrauchsskandal den Rücken zu stärken.

Doch statt die Wogen zu glätten, sorgte der weißhaarige Priester im scharlachroten Kardinalsornat für neue Empörung. Die Leiterin des US-Opferverbandes SNAP, Barbara Blaine, bezeichnete Sodanos Statement als „Beleidigung“ der Menschen, die als Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht wurden, und nun um Aufklärung und Entschädigung kämpfen. Solche Reaktionen hätte der 82-Jährige durchaus vorhersehen können. Es war eine diplomatische Karriere, die den Sohn eines christdemokratischen Parlamentsabgeordneten an die Spitzen der vatikanischen Hierarchie brachte. In den 50er und 60er Jahren absolvierte er die päpstliche Diplomatenakademie, promovierte in Theologie und wirkte an den Botschaften des Vatikans in Ecuador und Uruguay.

Die wohl größte Herausforderung für Angelo Sodano fand sich in Chile: 1977 wurde er dort Apostolischer Nuntius, Botschafter des Heiligen Stuhls in der Zeit der Diktatur Augusto Pinochets. Kritiker werfen Sodano bis heute vor, zu den Menschenrechtsverletzungen des Diktators in der Öffentlichkeit geschwiegen zu haben. Doch Sodano half chilenischen Dissidenten bei der Ausreise; während des Besuchs von Johannes Paul II. 1987 in Chile organisierte er ein Treffen von Oppositionsvertretern mit dem Papst.

Die Zeit in Südamerika war offenbar karrierefördernd: Ein Jahr später wurde Sodano Außenminister des Vatikans, wenige Jahre später Kardinalstaatssekretär, eine Art Ministerpräsident des Vatikan. Als Johannes Paul II. im März 2005 sterbenskrank sein letztes Auferstehungsfest erlebte, war es der Mann aus dem Piemont, der anstelle des Kirchenoberhaupts die Messe zelebrierte. Damals galt er sogar als möglicher Papst-Nachfolger. Der verzweifelte Verteidigungsversuch vom vergangenen Sonntag hat nun allerdings dazu geführt, dass der Respekt vor dem Kardinalsdekan nicht nur in Deutschland gesunken ist.

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