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PORTRÄT MOHAMMED EL BARADEI ÄGYPTISCHER VIZEPREMIER:: „Es ist ein schmerzlicher Schritt“

Er ist wohl der bekannteste Twitterer Ägyptens. Seit Mohammed el Baradei 2011 am Vorabend des ersten Revolutionstages wieder in Kairo landete, meldet er sich mit beißender Kritik zu Wort – erst gegen Hosni Mubarak, dann gegen den Obersten Militärrat und seit einem Jahr gegen Mohammed Mursi und seine regierenden Muslimbrüder.

Er ist wohl der bekannteste Twitterer Ägyptens. Seit Mohammed el Baradei 2011 am Vorabend des ersten Revolutionstages wieder in Kairo landete, meldet er sich mit beißender Kritik zu Wort – erst gegen Hosni Mubarak, dann gegen den Obersten Militärrat und seit einem Jahr gegen Mohammed Mursi und seine regierenden Muslimbrüder. Für den Westen repräsentiert der Friedensnobelpreisträger von 2005 die liberale Stimme Ägyptens. In seiner Heimat jedoch ist der 71-Jährige weitaus weniger populär.

Monatelang zog er sich im Sommer nach dem Sturz von Mubarak in die Schweiz zurück, um seine Memoiren zu schreiben. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2012 machte er im letzten Moment einen Rückzieher – wohl ahnend, dass er kaum über zehn Prozent Zustimmung hinausgekommen wäre. Offiziell verbreitete er als Begründung, die Präsidentschaftswahlen würden mit Sicherheit nicht frei und fair verlaufen, eine Prognose, die sich als ungerechtfertigt erweisen sollte.

Am vergangenen Sonntag war seine Ernennung zum Übergangspremier noch am Veto der Salafisten gescheitert. Zwei Tage später hat ihn Interimspräsident Adli Mansur nun zu seinem Vize ernannt, zuständig für Auslandsbeziehungen. Seine Karriere hatte der Jurist 1964 als junger Diplomat im ägyptischen Außenministerium begonnen. Anschließend arbeitete er in der Vertretung Ägyptens bei den Vereinten Nationen, erst in Genf, dann in New York, wo er an der New York University in internationalem Recht promovierte. 1984 wechselte er zur Internationalen Atomenergiebehörde nach Wien, dort stieg er innerhalb von 13 Jahren zum Chef auf. Seine harten Auseinandersetzungen mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush über Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen brachten ihm zwei Jahre später den Nobelpreis ein.

Kürzlich hielt el Baradei den Muslimbrüdern vor, die Regierung sei unqualifiziert, das Land zu führen. Die Wirtschaft stehe vor dem Ruin. Wenige Tage vor dem Militärputsch hatte sich die heterogene Allianz der Opposition auf ihn als ihren Chefunterhändler verständigt. Und so war es vor allem der Ex-Diplomat, der mit Generalstabschef Abdul Fattah al Sissi in den dramatischen Stunden vor dem Putsch die Gespräche führte. Bei Sissis Deklaration im Fernsehen saß el Baradei neben ihm. „Es ist ein schmerzlicher Schritt, den niemand gewollt hat“, sagte er danach. Martin Gehlen

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