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Porträt Naoto Kan: „Ich habe keine besonderen Beziehungen“

Japans neuer Premier Naoto Kan ist der fünfte Hoffnungsträger in nur vier Jahren. Ihm verbleiben formell noch über drei Jahre im Amt. Ob er diese wirklich übersteht, ist jedoch zweifelhaft:

Von Japans letzten 20 Premierministern hielt sich mit dem charismatischen Junichiro Koizumi nur ein einziger länger als drei Jahre im Karussell japanischer Politik. „Als Erstes müssen wir das Vertrauen der Wähler und in die Partei zurückgewinnen“, sagte Kan am Freitag. In einem Monat stehen wichtige Oberhauswahlen an.

Für Kan spricht, dass er nicht – wie seine Vorgänger – aus wohlhabendem Haus mit politischer Vergangenheit stammt. Kan arbeitete sich hartnäckig aus einfachem Haus empor, liebäugelte in den 70er Jahren als Bürgerrechtler mit der reformistischen Linken und schuf sich in den 90er Jahren einen Namen mit seinem Kampf gegen Korruption. Daher wirkt Kan glaubwürdig. „Ich wuchs in einer typischen japanischen Familie von Büroangestellten auf“, sagte er vor seiner Wahl zum Premier. „Ich habe keine besonderen Beziehungen. Wenn ich es mit meinem gewöhnlichen Hintergrund zum Premier bringen kann, dann ist das eine gute Sache für japanische Politik.“

Seit 1980 Abgeordneter, deckte er in den 90er Jahren als Gesundheitsminister einen Skandal um HIV-verseuchte Blutkonserven auf. 1996 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Demokraten DPJ, die er 2004 nach einem Skandal verließ: Er hatte als Minister keine Pensionsbeiträge bezahlt.

Bis Januar führte Kan das neue Nationale Strategiebüro, das gewählten Politikern mehr Macht über Bürokraten geben sollte. „Bürokraten sollen mehr Spaß haben und weniger arbeiten“, sagte Kan in der für ihn typischen Direktheit, womit er sich erfrischend von seinen farblosen Vorgängern abhebt. Als er im Januar 2010 das Finanzministerium übernahm, spielte er gleich mit dem unpopulären Gedanken, die fünfprozentige Mehrwertsteuer zu erhöhen, um Japans Schuldenlast anzugehen, die größte der Welt im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt.

Der Vater von zwei Söhnen und Autor eines Bestsellers will Japan den „Optimismus“ zurückbringen, der Yukio Hatoyama letzten Herbst mit einem Erdrutschsieg an die Macht trug. Er ist überdies einer der wenigen Spitzenpolitiker Japans, die nie LDP-Mitglied waren. Damit ist der 63-Jährige doch eine Ausnahmeerscheinung. Eine Schlagzeile in der Tagespresse lautete schon: „Kan can do it!“

Daniel Kestenholz

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