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PORTRÄT NATALIE NOUGAYRÈDE NEUE CHEFIN VON „LE MONDE“: „Das Unerwartete ist möglich“

Für herausragende Leistungen von Journalisten gibt es Preise. Manchmal trifft sie aber auch der Bannstrahl der Mächtigen, was ebenfalls als Ehrung aufgefasst werden kann.

Für herausragende Leistungen von Journalisten gibt es Preise. Manchmal trifft sie aber auch der Bannstrahl der Mächtigen, was ebenfalls als Ehrung aufgefasst werden kann. Natalie Nougayrède, die neue Chefredakteurin der französischen Zeitung „Le Monde“, kennt sich mit beidem aus. 2005 erhielt sie für ihre Reportagen über den Tschetschenienkrieg einen nach dem legendären Reporter Albert Londres benannten Journalistenpreis, das französische Pendant zum deutschen Egon-Erwin-Kisch-Preis.

Drei Jahre später wurde sie, begleitet von zwei Polizeibeamten in Zivil, aus der Jahreskonferenz der französischen Botschafter verwiesen. Mit ihrer kritischen Berichterstattung über die Politik des damaligen Außenministers Bernard Kouchner hatte sie dessen Zorn erregt und war vom Außenamt zur „persona non grata“ erklärt worden. Ihre Interviewwünsche wurden abgelehnt. Ihr Ressortleiter erhielt mehrfach Anrufe, er solle doch lieber einen anderen Berichterstatter schicken.

Die Berufung Nougayrèdes an die Spitze der renommierten Pariser Tageszeitung ist ein Markstein in der Geschichte der französischen Medien. Die Journalistin war von den drei Hauptaktionären, dem Kulturmäzen Pierre Bergé, dem Internetunternehmer Xavier Niel und dem Bankier Pierre Pigasse, ausgewählt und der Mitarbeitergesellschaft der Redakteure vorgeschlagen worden. Diese stimmten am Freitag mit rund 80 Prozent der Stimmen zu. Wie ihr Vorgänger, der im vergangenen November gestorbene Erik Izraelewicz, wird Nougayrède neben dem Posten der Chefredakteurin auch den der Verlagschefin bekleiden und damit der Tradition des 1944 gegründeten Blattes folgend gleichzeitig Chefredakteurin und Herausgeberin sein.

Nougayrède, 46 Jahre alt, wuchs in England und Kanada auf und ging nach einem Politikstudium in Straßburg nach Osteuropa, zunächst als freie Korrespondentin, seit 1996 für „Le Monde“, deren diplomatische Korrespondentin sie 2005 wurde. Sie berichtete aus dem Kosovokrieg und über die Krisen im Kaukasus. Ihrer Wahl ging keiner der früher bei „Le Monde“ üblichen Richtungskämpfe voraus. Weil sie bisher keinen Führungsposten bekleidete, galt sie vielen ihrer Kollegen als unbeschriebenes Blatt. Bei der Vorstellung machte sie dieses Manko mit den Worten wett: „Als Journalistin von der Basis stelle ich mich diesem Abenteuer, um zu zeigen, dass das Unerwartete möglich ist.“ Hans-Hagen Bremer

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