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Foto: imago/Seeliger

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PORTRÄT PARKPLATZ BERLIN:: „Ich bin so frei“

Die Nerven sind noch wund vom Suchen, und der Glaube an die real vorhandene Parklücke ist fast geschwunden. Wie soll man beispielsweise einem Besucher aus dem Parkplatzschlaraffenland USA am besten die Stadt zeigen?

Die Nerven sind noch wund vom Suchen, und der Glaube an die real vorhandene Parklücke ist fast geschwunden. Wie soll man beispielsweise einem Besucher aus dem Parkplatzschlaraffenland USA am besten die Stadt zeigen? „Mit dem Auto natürlich“, sagt der erstaunt.

Innerlich darauf vorbereitet, erst mal ein Stündchen um die Blocks zu kurven, kommt man seufzend am Museum an. Hätte man nicht erst kürzlich den Versuch, einen lieben Menschen zu besuchen, beinahe verzweifelt abgebrochen aus Parkplatzmangel? Doch nun das. Da warten unverhofft eine ganze Reihe leerer Lücken wie eine Fata Morgana. Wunschtraum statt Alptraum. Schön breit sind sie und lächeln verlockend mit ihren adretten weißen Abtrennstreifen links und rechts. Man verrenkt sich den Hals bei der Suche nach dem obligatorischen temporären Halteverbotsschild. Tatsächlich ist keines da. Es gibt sie also noch, die guten, alten, legalen Parkplätze. Perplex reibt man sich die Augen.

Ferien in Berlin, das ist Entspannung pur. Weil man endlich mal wieder unbefangen mit dem Auto fahren darf, und immer wieder freundlichen grauen Asphaltflecken begegnet, die rufen: „Hey, ich bin deine Parklücke. Sei mir willkommen, du musst auch gar nicht lange kurbeln. Schau nur, ich bin wirklich groß genug.“

Ferien in Berlin, das ist herrliche Nostalgie. So wie die von Wäldern umsäumten Seen im Brandenburger Umland an Bilder aus der ersten Fibel erinnern, so erinnern die Parkplätze an eine Zeit, als es noch Parkuhren gab, die Groschengräber hießen und nicht Eurofresser.

Ferien in Berlin, das ist manchmal auch die Qual der Wahl. Welcher Parkplatz ist besser? Der unterm Baum hat zwar Schatten, aber es rieseln klebrige Blätter aufs Dach. Vielleicht sollte man doch lieber den an der Straße nehmen. Gibt es solchen Luxus irgendwo im Fünf-Sterne-Hotel? Diese tiefe Erleichterung, rasch das Auto verlassen zu können. Unbefangen aufbrechen zu können, zum Zahnarzt, zum Friseur – und ja, man wird pünktlich sein, weil man das Auto unkompliziert los wird.

Das ist die ultimative Entspannung, die städtische Variante der Strandwanderung in lauer Brise. Wie im Sonnenaufgang am Meer wird es hier hörbar: das glückliche Aufseufzen über die plötzlich erträgliche Leichtigkeit des Seins. Und das ist ihr zu danken, der kleinen grauen Asphaltlücke, die sich in den nächsten goldenen Wochen wieder auftun wird wie ein wahres Wunder. Elisabeth Binder

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