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PORTRÄT PETER HARRY CARSTENSEN CDU-CHEF IN KIEL:: „Ein bisschen flott drüber hinweggegangen“

Er hat die Hoheit über die Stammtische. Ob er auch weiter die Macht in Kiel hat, wird sich am 27. September zeigen

Auf seine Stammtischhoheit ist er stolz. Das könne zum Beispiel ein Wolfgang Kubicki von der FDP noch von ihm lernen, meint Peter Harry Carstensen, der bei der Landtagswahl am 27. September in Schleswig-Holstein zum zweiten Mal das Amt des Ministerpräsidenten anstrebt. Er lässt kaum ein Fest aus, sei es die Eröffnung von Kohltagen oder der Tag der offenen Tür bei der Landwirtschaftskammer in Rendsburg. Bei solchen Terminen fühlt sich der Diplom-Agraringenieur zu Hause, dann kann er sich im Klönschnack auf Platt als gemütlicher „Kümmerer“ zeigen. Die CDU wirbt daher auch mit dem Slogan: Seine Stärke ist seine Nähe.

Seit 1971 hat der Nordfriese das CDU-Parteibuch. Von 1983 bis 2005 war er Bundestagsabgeordneter und meist mit Agrarfragen betraut. Bis auf eine Ausnahme gewann er stets das Direktmandat in seinem ländlichen Wahlkreis. 2002 übernahm er das Amt des Landeschefs in Schleswig-Holstein: Als es mit dem Hamburg-Import Volker Rühe nicht gelang, Ministerpräsidentin Heide Simonis aus dem Amt zu hieven, wollte die Union im Norden beim nächsten Urnengang wieder auf ein personelles Eigengewächs als Kandidat setzen. Gebettelt hatte Carstensen seinerzeit nicht um die Führungsrollen; sie waren vielmehr fehlenden personellen Alternativen geschuldet. In die politischen Geschichtsbücher ging der heute 62-Jährige am 17. März 2005 ein: Weil Simonis sich in vier Wahlgängen bei der konstituierenden Landtagssitzung nicht erneut als Ministerpräsidentin durchsetzen konnte, wurde Gegenkandidat Carstensen plötzlich Landesvater.

Manch einer meint, er habe gar nicht die nötigen Politikergene, sei viel zu „menschlich“ und harmoniebedürftig. Kritiker behaupten, Krisenmanagement sei nicht seine Sache, siehe die HSH Nordbank. Daher überraschte es viele, als er Mitte Juli den Bruch mit dem Regierungspartner SPD vollzog und damit den ihm eigentlich nicht zugetrauten Charakter eines Machtpolitikers offenbarte. Eine falsche Behauptung in einem Brief an den Parlamentspräsidenten im Zusammenhang mit der HSH Nordbank entschuldigte er später damit, er sei etwas flott über die Formulierungen hinweggegangen. Bundespolitische Bedeutung hat er jedenfalls auch nach seinem Coup 2005 nie bekommen. Carstensen ist verwitwet, hat zwei Töchter. Mit seiner fast 25 Jahre jüngeren Lebensgefährtin Sandra Thomsen lebt er in einer alten Försterei nahe Kiel. Dieter Hanisch

Dieter Hanisch

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