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PORTRÄT RACHEL EHRENFELD TERROR-EXPERTIN:: „Klagetourismus bedroht die Pressefreiheit“

Demokratien garantieren die Meinungsfreiheit. Sie schützen aber auch vor übler Nachrede.

Demokratien garantieren die Meinungsfreiheit. Sie schützen aber auch vor übler Nachrede. Wo schlägt die Freiheit, ernste Anschuldigungen veröffentlichen zu dürfen, in Verleumdung um? Da hat die westliche Welt keine klare Linie. Die USA schützen im Zweifel die Pressefreiheit, Großbritannien den Ruf des Individuums. Dieser Unterschied führt zu einem neuen Phänomen, dem „Klagetourismus“. Wer sich gegen Anschuldigungen in amerikanischen Büchern zur Wehr setzen will, klagt nicht in den USA, sondern in Großbritannien. Die Verteilung der Beweislast vor Gericht ist dort günstiger für Menschen, die negative Aussagen über sich verbieten lassen wollen.

Rachel Ehrenfeld ist eine renommierte Expertin für Korruption und Terrorfinanzierung am American Center for Democracy. In ihrem 2003 erschienenen Buch „Funding Evil. How Terrorism Is Financed – and How to Stop It“ warf sie dem saudischen Geschäftsmann und Milliardär Khalid bin Mahfus vor, Al Qaida zu finanzieren. Der bestritt die Vorwürfe und klagte 2005 gegen die Veröffentlichung des Buchs – in Großbritannien. Ehrenfeld sah keinen Grund, Geld für ihre Verteidigung im Ausland auszugeben. Sie hatte ihr Buch in den USA veröffentlicht. Die britischen Richter verurteilten sie, 120 000 Pfund an die Familie Mahfus wegen Rufschädigung und für die Gerichtskosten zu zahlen. Sie weigerte sich und reichte Gegenklage ein. Ein New Yorker Gericht möge feststellen, das britische Urteil dürfe in den USA nicht vollstreckt werden. Mahfus verletze mit der Verleumdungsklage ihr Verfassungsrecht auf freie Meinungsäußerung. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig; es habe keine Jurisdiktion über den Saudi.

2008 beschloss das Parlament des Staates New York „Rachel’s Law“: ein Gesetz, wonach die USA Verleumdungsurteile im Ausland nur dann anerkennen, wenn der Fall hier strafbar wäre. In den USA darf man vieles behaupten, ohne es beweisen zu müssen. Nun hat der US-Senat ein Bundesgesetz verabschiedet: Werden Autoren im Ausland wegen Verleumdung verurteilt, können sie ein US-Gericht bitten, festzustellen, ob das gegen die US-Verfassung verstoße. In Großbritannien setzt ein Umdenken ein. Rachel Ehrenfeld beschreibt in britischen Medien, wie der Klagetourismus die Meinungsfreiheit bedrohe. In Amerika ist von Nachdenklichkeit, ob hier der Schutz des Individuums vor übler Nachrede zu kurz komme, nichts zu spüren. Christoph von Marschall

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