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PORTRÄT SIGMAR GABRIEL SPD-VORSITZENDER:: „Wir haben auch in Srebrenica lange zugesehen“

Wenn Sigmar Gabriel sich zu Krieg und Frieden äußert, pflegt er nur selten die für deutsche Außenpolitiker typische diplomatische Zurückhaltung. Mit einem erstaunlichen Vergleich kritisierte der SPD-Parteichef in dieser Woche die Zögerlichkeit der internationalen Gemeinschaft angesichts der Massaker des syrischen Regimes.

Von Hans Monath

Wenn Sigmar Gabriel sich zu Krieg und Frieden äußert, pflegt er nur selten die für deutsche Außenpolitiker typische diplomatische Zurückhaltung. Mit einem erstaunlichen Vergleich kritisierte der SPD-Parteichef in dieser Woche die Zögerlichkeit der internationalen Gemeinschaft angesichts der Massaker des syrischen Regimes. Er sei gespannt, wie lange die Welt noch zuschauen wolle, wie in Syrien Menschen ermordet würden, meinte Gabriel und fügte hinzu: „Wir haben auch in Srebrenica sehr lange zugeschaut, und wir haben uns hinterher dafür geschämt.“

Tatsächlich war im Westen das Entsetzen groß, als im Sommer 1995 immer mehr Einzelheiten über Europas schlimmstes Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt wurden. In der Stadt Srebrenica hatten bosnische Serben rund 8000 Menschen getötet, ohne dass dort stationierte niederländische UN-Truppen eingriffen.

Der Vergleich aber lässt sich auch als Plädoyer für eine Intervention in Syrien lesen: Wenige Wochen nach dem Massaker in Srebrenica flogen Nato-Kampfflugzeuge Angriffe gegen serbische Stellungen. Einen Kampfeinsatz gegen Assad aber befürwortet die SPD so wenig wie die Regierung. Beide wollen eine politische Lösung.

Für Stimmungen von Menschen hat der SPD-Chef häufig ein Gespür – und die versucht er auch dann aufzunehmen, wenn es nicht um Löhne oder Benzinpreise, sondern um heikle außenpolitische Themen geht. Schließlich ertragen viele Deutsche die Vorstellung nicht, dass Assad weiter sogar Kinder morden lässt. Wo andere vorsichtig sind, prescht Gabriel vor. So bezeichnete er die Kritik an dem Israel-Gedicht von Günter Grass als „in Teilen hysterisch“ und nannte Israel bei einem Besuch in Hebron ein „Apartheid-Regime“. Nach dem Regierungswechsel 2009 fürchteten SPD-Außenpolitiker, der Parteichef wolle der Mehrheitsmeinung folgen und die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes ablehnen. Weil die Regierung der Forderung von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach einem Abzugsplan nachkam, blieb die SPD berechenbar.

Auch die Kanzlerin hat Erfahrung mit historischen Vergleichen in der Außenpolitik. Vor sechs Jahren warnte Angela Merkel im Hinblick auf Irans Atomprogramm vor „Appeasement-Politik“. Mit der Anspielung auf das Versagen der Welt gegenüber Hitler betreibe sie eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik, kritisierte die SPD damals. Hans Monath

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